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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Rapsilber, Maximilian: Ernst Moritz Geyger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0017

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Ernst Moritz Geyger.

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gearbeitet hat bis an die Grenze des Mög-
lichen. Mit Diamant-Splittern wurde die
Modulation im Licht gearbeitet und ebenso
hatte der Künstler sich für das Botticelli-
Blatt besondere Grabstichel feinsten Kalibers
anfertigen lassen, um jene Linienlagen zu
ermöglichen, die zarter als die Arachne-Fäden
sind. Geygers Ruhm als Radierer hat sich
denn auch sehr schnell verbreitet. Schon
vor Fertigstellung der grossen Platten wurde
ihm 1893 das Meister - Atelier für Kupfer-
stich an der Dresdner Akademie angetragen
und damit hing seine Ernennung zum Pro-
fessor zusammen. Aber die Lehrtätigkeit in
Dresden hat nur fünf Monate gedauert.
Einerseits konnte sich Geyger nicht in den
bureaukratischen Zwang fügen, der damals
noch in Dresden herrschte, andererseits wollte
man den Künstler, der nun schon wieder
andere und weitere Ziele hatte, auf den
simplen Kupferstecher festnageln und ihm
seine Bildhauerei unmöglich machen. Kurz
entschlossen Hess Geyger Dresden samt dem
akademischen Zopf schiessen, ging nach
Berlin und Paris, wo er 1894 die grossen
Platten vollendete, und siedelte 1895 dauernd
nach Florenz über. Doch seine Beziehungen
zu Berlin Hess er nie gänzlich fallen, hier
besitzt er ein zweites Atelier. Sein Haupt-
Atelier richtete er sich 1896 auf einer eigenen
Besitzung zu Florenz ein und zwar in der
alten, aus dem 15. Jahrhundert stammenden
Medicäer-Villa Marignolle vor der Porta
romana, der ein Nimbus historischer Berühmt-
heit und herrlichster Lage zu eigen ist.

Geygers Lebenswerk wird in der Plastik
gipfeln. Auf diesem Gebiete nahm seine
Entwicklung von vornherein einen Anlauf
gegen unbegrenzte Horizonte. In einer
grandiosen Folgerichtigkeit erwächst ein
Bildwerk aus dem andern, steigert sich das
Beginnende auf dem Gipfeides Vollendeten, all-
mählich reifen grosse Gedanken, treten kühne
Entwürfe in den Gesichtskreis. Der Bogen-
schütz und der Marmorstier stehen fertig da,
aber sie sind erst Vorläufer, grössere Taten
stehen zum Sprung bereit und warten der
glücklichen Stunde, da ein Mäcen von Mut
zur grossen Kunst beseelt wird. Gegen-
wärtig steht Geyger im Zeichen der zu

1904. VII. 2.

letzten Zielen aufstrebenden Monumental-
Plastik. Seine künstlerische Mission in der
Feinplastik liegt aber bereits abgeschlossen vor,
ähnlich wie seine graphische Epoche. Hier
zielte gleichfalls die Freude an der reinen
und feinen Form, am virtuosen Können auf
die äussersten Möglichkeiten der Technik,
wie bei Stich und Radierung. Ohne Zweifel
steht Geyger heute als Feinplastiker un-
erreicht da, in solcher Eigenschaft hat er
nicht nur die Franzosen, sondern auch die
Japaner geschlagen. Nach Vollendung des
Storch-Berloques sieht er die besondere Auf-
gabe erfüllt. Natürlich wird er nun nicht
völlig die Kleinplastik fallen lassen. Seine
Freude am Bilden, an den graziösen Spielen
der Fantasie wird sich gewiss weiter in
Plaketten, Medaillen, Kleinbronzen, Silber-
Bildwerken betätigen, sofern Anlass und
Auftrag vorliegt. Nur eben die Demonstration
unmöglich erscheinender und nie erzielter
Feinheiten ist als vollendete Tatsache zu re-
gistrieren. Betrachten wir also zuvörderst die
Arbeiten der Kleinplastik.

Es war im Jahre 1888, als Geyger, durch
einen rein äusserlichen Anlass gestachelt, auf
gut Glück zu modellieren anfing, ohne jede
akademische Vorbildung oder Anleitung
hierzu, also rein als Autodidakt. Und da ist
es gewiss erstaunlich, dass gleich das Erst-
lingswerk, die Nilpferd-Gruppe, von einer so
hohen Vollendung zeugt. Die etwa 75 cm
hohe Gruppe ist in Florenz in Bronze ge-
gossen, die überaus subtile Ziselierung erfolgte
in den Jahren 1890 bis 1894. Da hat der
Künstler eine Fülle von Feinheiten hinein-
gearbeitet, wie sie wohl der geduldigste
Japaner nicht zu Stande gebracht hätte. Der
Kontrast der glatten, schlammigen, feuchten
Nilpferd-Haut und des rauhen Löwenfells,
der vorsintflutlich plumpen Kolossalität des
Angegriffenen und der wundervollen Mus-
kulatur und Vehemenz und Geschmeidigkeit
des Angreifers konnte wohl nicht treffender
zur Darstellung gelangen. Darauf folgte
1891 als zweites Meisterwerk der Feinplastik
und Ziselierung der Dornauszieher, ein auf
seidenem Kissen sitzender, handgrosser
Schweinsaffe, der mit intensivester Hingabe
den wunden Punkt an seiner Fusssohle in
 
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