Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

DOI Artikel:
Rapsilber, Maximilian: Ernst Moritz Geyger
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0041

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
392 M. Rafisilbcr—Berlin:

PROFESSOR ROBERT DIEZ. SCHÖPFER DER
GROSSEN FONTÄNEN IN DRESDEN. 1901.

Und immer glänzender meistert der Künst-
ler das Raffinement der feinen Form.
Schon scheint das Ausserste in dem Kamm von
1901 erreicht. Es handelt sich hier um einen
vergoldeten Silberguss, auf blondem Schild-
patt montiert. Das Relief ist in Originalgrösse
modelliert, und nicht etwa, wie es die
Franzosen machen, mit der Maschine ver-
kleinert, das aber ist das Wesentliche an
dieser Kunstleistung. Und so etwas hat noch
Keiner gemacht; auch ein Benvenuto Cellini
nicht. Die Darstellung zeigt eine erotische
Szene. Der seiner Rüstung entkleidete Ritter
ist von der holden Dryade des Ortes in das
Gebüsch gelockt und nun stehen der Gaul
und die Flügelknaben in atemloser Erwartung
neckisch auf der Wacht. Der Grazie des
Gedankens entspricht auch, wie man sieht,
die Form, aber auch hier ist die unmittelbare
Naturfrische gewahrt geblieben. Wir sehen
hier die unverfälschten Modelle des Geyger-

schen Ackerpferdes und der Bauernjungen
von Marignolle. Eingefasst ist das Relief
von einem Saphir, zwei Smaragden und 22
Amethysten, in deren Lücken Diamantsplitter
erglänzen. Als letztes Stück der Feinplastik
schuf Geyger vor zwei Jahren das Berloque
mit Storch und Kind, das gleichfalls ein
Silberguss ist ohne einen Schlag Ziselierung.
Und damit ist in der Tat wohl die letzte
Möglichkeit in dieser Technik erreicht. Ganz
wunderbar ist die Modellierung des köstlichen
Kinderleibes, des feinhaarigen Storchkopfes
und des Gefieders an der Vorder- und Rück-
seite des Anhängers, dessen Abbildung hier
in Originalgrösse gebracht wird.

Die beiden Silber - Spiegel nehmen in
Geygers Kleinplastik eine Sonderstellung
ein. Ausschlaggebend ist hier nicht lediglich
die meisterliche Technik der Modellierung
und des Gusses und die ideale Formen-
Schönheit, sondern auch der Inhalt der Dar-
stellung. Beide Spiegel zusammen stellen
eine Tragödie in drei Akten dar. Dem
Anschein nach ist darin ein Reflex von per-

GABRIEL ERHARDT GEYGER, SÖHNCHEN
DES KÜNSTLERS (BRONZE). 1899. *
 
Annotationen