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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Bieberstein, M. von: Bildhauer Adolfo Wildt - Mailand
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0077

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Bildhauer Adolfo Wildt.

FREIE ORNAMENT-MOTIVE
FÜR LEDER-ARBEITEN.

Bildhauer Hdollo Wildf-IIIaüand.

A uch in Italien zeigt sich neuerdings auf
t\_ dem Gebiete der Skulptur eine frischere
Kunstentwickelung. Da ist es unter diesen
»Neueren« vor allem Adolfo Wildt—Mailand,
der bisher in Deutschland wenig bekannt
wurde, auf den sich die Aufmerksamkeit
lenkt. In seinen Werken sehen wir in hohem
Maße den individuellen Ausdruck der künst-
lerischen Persönlichkeit betont. Der noch
junge Künstler kämpft um das Grosse und
Erhabene in der Kunst, doch auch das Zarte
und Tiefe sind ihm nicht fremd, das sich,
gleich einer sprechenden Seele, in manchen
seiner Kompositionen ausgedrückt findet.
Gleich Rodin erinnert er oft an die belgischen
Meister der Neuzeit, mit denen er den Realis-
mus im einzelnen und den Symbolismus im
ganzen gemein hat. Seine Anregung zum
Schaffen scheint er hauptsächlich dem vollen
Leben und den einfachen Menschen zu
entnehmen. Das eigentliche Material des
Künstlers ist der Marmor, dessen Behandlung
er derart souverain beherrscht, dass er seine
plastischen Ideen mitunter direkt aus dem
Stein heraushaut. Es ist wahrlich »Sturm
und Drang«, welches den Künstler auf seinem
Lebens- und Kunstwege begleitete, bis sich

beides immer freier, klarer und vertiefter
entwickelte. Adolfo Wildt wurde im Jahre
1868 zu Mailand geboren. Als der älteste
von 6 Söhnen eines kleinen italienischen
Munizipalbeamten, sollte er schon mit 9 Jahren
sein Brot selbst verdienen. Zuerst bei einem
Barbier, dann bei einem Goldarbeiter in die
Lehre gegeben, wo er überaus schlechte
Behandlung zu erleiden hatte, entschloss er
sich, seinen künstlerischen Neigungen folgend,
bei einem Marmorino, einem Marmorarbeiter,
einzutreten. Bald kam er jedoch zum Bild-
hauer Grande, 2 Jahre später zum Bildhauer
Villa, bei dem er bis zu seinem 16. Lebens-
jahre blieb. Mit jäher Energie arbeitete er
schon während dieser Zeit an seiner geistigen
und künstlerischen Entwickelung. An den
Abenden besuchte er die Elementarkurse
der Brera, und da es ihm sehr schwer fiel,
die Geldmittel dafür aufzubringen — er ver-
diente nur 4 Lire die Woche — studierte
er desto angestrengter, um so schnell wie
möglich sein Examen machen zu können.
Da dieses sehr gut ausfiel, so erhielt er eine
Freistelle für die weiteren Kurse. Nunmehr
machte er die hohe Schule für angewandte
Kunst an der Brera durch. Nachdem er bei
 
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