Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

DOI Artikel:
Schwindrazheim, Oskar: Die Gesellschaft Hamburgisch. Kunstfreunde
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0185

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
536

Die Gesellschaft Hamburgischer Kunstfreunde.

FRAU L. BOHLEN.

würdiger sind, als die, die unsere Kunst,
zumal unser Kunstgewerbe machte, als sie
sich heut als anmutiges Bürgerfräulein der
Renaissance, morgen als kapriziöse Rokoko-
demoiselle kostümierte — wir haben in jenen
Auswüchsen des Dilettantismus nichts als
den letzten Niederschlag jenes Tiefstandes
der damaligen Kunst vor uns — der Dilettan-
tismus selbst ist am wenigsten daran schuld!

Der Dilettantismus ist nichts anderes als
jener naiv urwüchsige, dem Menschen an-
geborene Gestaltungstrieb im Verein mit
dem ebenfalls naiv urwüchsigen Schönheits-
trieb, den wir im Kinde schon beobachten
und gar oft bewundern, der in grauester
Vorzeit die ersten Kunstanfänge entstehen
Hess, der diese Unzahl verschiedenster
Volksstile hervorbrachte, die wir im Völker-
und Volkskunst - Museum bewundern, der

die beiden so lang ver-
nachlässigten , erst heute
möchte man auch sagen,
wiederentdeckten Zweige
der deutschen Kunst, die
Bauernkunst und die
Kleinstadtkunst mit solch
individuellem Leben er-
füllte, dass wir uns ein
Muster daran nehmen
können — und ja in der
Tat anfangen, das zu tun!
— Ein Stück volkstüm-
licher Kunst — das ist
der Dilettantismus und
einer, bei dem nicht die
Frage aufgeworfen werden
kann: ist es not, sich mit
ihm zu beschäftigen ? lohnt
sich's? ist er lebensfähig?
Es wird wohl Niemand
daran zweifeln, dass es alle-
zeit auch ausserden Künst-
lern, in allen Kreisen,
Leute geben wird, die,
ohne sich Künstler zu
nennen, gern künstlerisch
selbsttätig sind. — Gebe
der Himmel, es gäbe sol-
cher Leute stets recht,
recht viele! Wie können
wir anders eine Volkskunst in Zukunft er-
hoffen, wenn wir nicht auch hoffen, dass
ausser den Berufskünstlern auch alle die
vom Volke dabei sind, die zwar nicht von
Beruf Künstler, die's aber von Herzen sind
— was durchaus nicht jeder sog. Berufskünstler
ist! — Herz! — das ist's ja gerade, was wir
unserer Kunst wieder wünschen, was unserer
volkstümlichen deutschen Kunst von einst
all die Reize verlieh, die wir an ihr be-
wundern, ihr Einssein mit dem Volke, ihren
Heimatsgeruch, ihre Frische, ihre Eigenart,
ihre Feinsinnigkeit, ihren Humor — Herz,
statt Gelehrsamkeit, statt blosser kalter Theo-
rien, Herz statt äusserlichen Pompes oder
Gelecktheit, statt Experimentiererei und
Effekthascherei, statt Gesuchtheit in Motiv
und Ausführung! Wie können wir anders
eine Kunst erwarten, die so eins ist mit dem

Winterstudie.
 
Annotationen