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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Schwindrazheim, Oskar: Die Gesellschaft Hamburgisch. Kunstfreunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0198

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Die Gesellschaft Hamburgischer Kunstfreunde.

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strengerer ornamentaler Auffassung ver-
wendet sehen. — Verwendung finden sie in
den Veröffentlichungen der Gesellschaft. Für
kleinere Bücher hat man entsprechend zartere
Vignetten unter Benützung der Kleinen unter
der Pflanzenwelt geschaffen. Vielleicht wer-
den wir später auch einmal Büchern be-
gegnen, deren von Künstlerhand entworfene
Ausstattung von der kunstfertigen Hand der
Mitglieder der Gesellschaft in Holz ge-
schnitten ist. Für Einzelblätter findet neuer-
dings, obschon noch vereinzelt, die Zinkhoch-
ätzung Pflege, z. B. von Frl. Marie Woermann.

In der angewandten Kunst finden wir
besonders bevorzugt die künstlerische Sticke-
rei, den Plattstich in hoher Vollendung, in
kräftig einfacher oder subtil feiner Aus-
führung, die Applikation verschiedener Stoffe
u. dergl., ferner Linienstich u. dergl. mehr.
Stets ist's eigener Entwurf, sei's der Stickerin
selbst oder sei's, dass sich zwei Damen zu-
sammengetan haben, von denen eine den
Entwurf, die andere die Ausführung über-
nahm. Zu Grunde liegen stets eigene
Pflanzen- oder Tierstudien, und auch die
Art der Verwendung dieser Studien zeugt
von unbefangener Eigenart — wir werden
nicht, wie sonst so oft, an dies oder das mit
Recht oder Unrecht berühmt gewordene
und bis zur Abgedroschenheit wiederholte
Vorbild erinnert. Wir haben's stets mit In-
dividualitäten zu tun. Das Gleiche ist der
Fall bei anderen Entwürfen, wie die Mit-
glieder sie für ihr eigenes Heim herstellen:
Schablonen für Malerei, Beschlag, Textil-
arbeiten, Möbel, Lederarbeiten, Vasen, Buch-
einbände. In ihnen, wie in den ganzen
Zimmer-Einrichtungen, ja bei Neubauten in
allem, was zum Hause gehört vom Grundriss
bis zur letzten Kleinigkeit, strebt Jeder nach
persönlicher Eigenart — nicht in dem Sinne
Absonderlichkeit, wie man's sonst wohl trifft,
sondern im besten, edelsten Sinne des Wortes.

Wir kommen zu den Publikationen der
Gesellschaft.

Da liegen zunächst die Jahrbücher vor
uns: grosse, von Jahr zu Jahr umfangreicher
werdende Bände, auf herrlichem Büttenpapier
tadellos gedruckt, die Texte (kunsthistorischen,
ästhetischen oder heimat-geschichtlichen In-

halts) wie die Illustrationen (Federzeichnungen,
Originalholzschnitte oder Lithografieen) aus-
schliesslich von Mitgliedern hergestellt, legen
alljährlich Zeugnis ab vom steten Weiter-
vorschreiten. Es reihen sich an allerlei Ka-
taloge (ebenfalls mit Originalvignetten, von
Mitgliedern in Holz geschnitten), die Ham-
burger Liebhaber - Bibliothek (ältere ham-
burgische Werke, Familienchroniken u. dergl.),
die Hamburgische Hausbibliothek (gemeinsam
mit der Patriotischen Gesellschaft und der
Lehrervereinigung für die Pflege der künst-
lerischen Bildung, neu begonnen, enthaltend
billige, aber vortrefflich ausgestattete Neu-
herausgaben älterer, aber unverdient wenig
gekannter Werke), allerlei Einzelschriften ver-
schiedener Verfasser über hamburgische Fa-
milien, Künstler und Dichter, Neuherausgaben
älterer graphischer Kunstwerke (Holbeins
Bilder des Todes, Dürers Marienleben), end-
lich die Hamburger Kunstblätter, Original-
radierungen oder -Lithografieen moderner
hamburgischer Künstler.

Das ist die Summe zehnjähriger, erst
zehnjähriger Arbeit!

Eine grosse Anzahl von Damen und
Herren, die sonst vereinzelt ihren künst-
lerischen Liebhabereien sich hingegeben
hatten, rein aus persönlichem, oft durch den
Zufall in der Richtung bestimmtem Wohl-
gefallen, sind fest zusammengeschlossen zu
einer nach bestimmtem Plan vorgehenden
Vereinigung, einer den anderen anregend,
stützend, vervollkommnend. Aber nicht eine
Schule ist's, der eine Manier den unverkenn-
baren äusserlichen Stempel aufdrückt — der
Geist ist's, der hier eint, der völlig frei sich
äussernde Individualitäten eint. Wohl ist
noch die Freude am Selbstschaffen und an
der Entwickelung des eigenen Könnens das
Hauptmotiv, aber sie ist vertieft durch die
Erkenntnis, dass dieses Können des Einzelnen
ein Stück der Gesamtbegabung des Volks-
ganzen ist, dass mit jedem Fortschritt des
Einzelnen zugleich auch das Ganze gewinnt
— gerade wie bei der Landgewinnung an
unserer Nordseeküste jede Landfestigung
eines noch so kleinen Stückchens von Be-
deutung ist. Damit ist jeder Tändelei von
vornherein die Spitze abgebrochen — die
 
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