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Rudolf Klein :
N. K. V. ROEHR1G11—ST. PETERSBURG.
Gäste aus dem Norden.
schnitte, die ja mehr in der Linie wie mit
der Farbe wiedergegeben sind, wechseln
von Jahr zu Jahr. Ein solider doch unauf-
fälligerer Landschafter ist Alberts, der
Berliner Vorstadt - Chronist jetzt wie einst
Baiuscheck. Er ist wie Käthe Kollwitz das
Gegenteil der übrigen Berliner.
Den Düsseldorfer Sälen merkt man an,
dass sie diesmal mit besonderer Vorsicht und
Liebe, oder auch Rücksichtslosigkeit zu
Stande gekommen sind. Die Jury hat streng
walten müssen, um die Zahl der Ein-
sendungen auf dieses verhältnismäßig kleine
Minimum zu beschränken. Dass es aber in
Düsseldorf Begabungen gibt, die man aus-
wärts vergeblich sucht, zeigt uns vor allem
ein Schreuer, der diesmal leider nur mit
einem unscheinbaren Blatt vertreten ist.
Dieser Künstler hat mit grossem Scharfsinn
erkannt, was den meisten Modernen fehlt
— die Geschlossenheit eines Vorganges in
Bewegung und Raumkomposition — hat
aber die wirklichen Vorzüge und Errungen-
schaften der Modernen so leichtsinnig unter-
schätzt, dass sich die Zeit gleichsam durch
ein Verkennen von Seiten der Andern nun
an ihm rächt. Malerische Qualitäten finden
wir hiergegen bei Otto Sohn-Rethel. Ihm
geht Schreuers Fähigkeit, ein ganzes zu
konstruieren, vollständig ab, dagegen verfügt
er über einen fein entwickelten Geschmack.
Man möchte ihm raten Stilleben zn malen,
denn sein Bild »Holländische Bauern« ist im
Grunde ein Stilleben, so wenig haben die
Figuren mit einander gemein. Ein inter-
essanter Künstler ist Philippi. Während ich
vor zwei Jahren, anlässlich eines schlechten
Bildes um ihn fürchtete, hat er das ver-
loren geglaubte diesmal nachgeholt, und
von neuem sein intimes, mit leichtem Humor
gewürztes Verständnis für vergangenes Spiess-
bürgerleben bewiesen, das er in Genre-
bildern zeigt, die einer unangenehmen lite-
rarischen Anekdote durchaus fern bleiben,
und deren Fülle karakteristischer Einzelheiten
zu uns reden, wie Manches in einer Novelle
von Gottfried Keller. Dabei ist er zwar
kein Kolorist, doch nie geschmacklos und wählt
eben die Farbigkeit aus den Gegenständen,
die der Zeitgeschmack ihnen verlieh. Gerhard
Rudolf Klein :
N. K. V. ROEHR1G11—ST. PETERSBURG.
Gäste aus dem Norden.
schnitte, die ja mehr in der Linie wie mit
der Farbe wiedergegeben sind, wechseln
von Jahr zu Jahr. Ein solider doch unauf-
fälligerer Landschafter ist Alberts, der
Berliner Vorstadt - Chronist jetzt wie einst
Baiuscheck. Er ist wie Käthe Kollwitz das
Gegenteil der übrigen Berliner.
Den Düsseldorfer Sälen merkt man an,
dass sie diesmal mit besonderer Vorsicht und
Liebe, oder auch Rücksichtslosigkeit zu
Stande gekommen sind. Die Jury hat streng
walten müssen, um die Zahl der Ein-
sendungen auf dieses verhältnismäßig kleine
Minimum zu beschränken. Dass es aber in
Düsseldorf Begabungen gibt, die man aus-
wärts vergeblich sucht, zeigt uns vor allem
ein Schreuer, der diesmal leider nur mit
einem unscheinbaren Blatt vertreten ist.
Dieser Künstler hat mit grossem Scharfsinn
erkannt, was den meisten Modernen fehlt
— die Geschlossenheit eines Vorganges in
Bewegung und Raumkomposition — hat
aber die wirklichen Vorzüge und Errungen-
schaften der Modernen so leichtsinnig unter-
schätzt, dass sich die Zeit gleichsam durch
ein Verkennen von Seiten der Andern nun
an ihm rächt. Malerische Qualitäten finden
wir hiergegen bei Otto Sohn-Rethel. Ihm
geht Schreuers Fähigkeit, ein ganzes zu
konstruieren, vollständig ab, dagegen verfügt
er über einen fein entwickelten Geschmack.
Man möchte ihm raten Stilleben zn malen,
denn sein Bild »Holländische Bauern« ist im
Grunde ein Stilleben, so wenig haben die
Figuren mit einander gemein. Ein inter-
essanter Künstler ist Philippi. Während ich
vor zwei Jahren, anlässlich eines schlechten
Bildes um ihn fürchtete, hat er das ver-
loren geglaubte diesmal nachgeholt, und
von neuem sein intimes, mit leichtem Humor
gewürztes Verständnis für vergangenes Spiess-
bürgerleben bewiesen, das er in Genre-
bildern zeigt, die einer unangenehmen lite-
rarischen Anekdote durchaus fern bleiben,
und deren Fülle karakteristischer Einzelheiten
zu uns reden, wie Manches in einer Novelle
von Gottfried Keller. Dabei ist er zwar
kein Kolorist, doch nie geschmacklos und wählt
eben die Farbigkeit aus den Gegenständen,
die der Zeitgeschmack ihnen verlieh. Gerhard