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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Kohut, Adolph: Professor Max Klein - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0290

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Dr. Adolph Kohut: Professor Max Klein—Berlin.

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Vorgang der Erzählung in der Heiligen
Schrift folgend, in Delila ein Musterbild der
weiblichen Verführungskünste zu erblicken,
und haben Maler und Bildhauer von jeher
darin gewetteifert, eine verführerisch schöne
Gestalt mit malerischen Formen darzustellen.
Klein geht einen Schritt weiter, indem er
den magnetischen Zauber, der von Delila
ausgeht, auch über die Seele und den Geist
derselben ausbreitet, so dass dieser Reiz sich
im Gesicht und in den Zügen gleichfalls
ausdrückt. Dieser Schönheit aus dem Lande
der Philister glauben wir schon eher, dass
sie in dem Helden Israels nicht nur die wilde
Kraft, sondern auch den Geist besiegt hat,
dass er fasziniert und besinnungslos zu den
Füssen des Weibes niedersinkt und ihr gegen-
über keinen Willen mehr besitzt.

Wie Max Klein auf dem Gebiete der
Monumental- und Genreplastik und des
Porträtfachs Hervorragendes leistet, so be-
währt er auch seine Meisterschaft als Schöpfer
von Relieffiguren. Ich verweise nochmals
auf die 8 Reliefplatten an der Kronprinzen-
brücke in Berlin. Sie sind ungemein frisch
und realistisch behandelt und zeigen teils
Gehänge von Blumen, Früchten, teils Trophäen.
Ferner hat der Meister mit grossem Glück
den Kampf des Wasser- und Flutenbau-
meisters mit den feindlichen Mächten der
Tiefe, der Strömungen und den endlichen
Sieg des Ersteren symbolisch und figürlich
dargestellt. Auch hier zeigt sich Kleins
Richtung aufs Kühne und Gewaltige, nur
wird ihm der Vorwurf gemacht, dass er die
Formen gar zu unruhig behandle, um nur einen
möglichst starken Eindruck der Lebendigkeit
der Körper hervorzurufen. Ein namhaftes
Werk der Plastik ist der stolze Fries im Hoch-
relief, welcher an dem Rudolf Mosseschen
Hause Leipziger Platz in Berlin die Fassade
unter dem Sims schmückt.

Max Klein hat ausser den beiden schon
genannten Büsten Manteuffels und Werders
noch zahlreiche andere berühmter und be-
kannter Persönlichkeiten geschaffen; ich er-
wähne nur diejenige des Fürsten Bismarck,
des Naturforschers v. Helmholtz, des Pro-
fessors Dr. Dreher und verschiedene andere.
Eine seiner liebenswürdigsten Schöpfungen

ist diejenige des bekannten Schriftstellers
Fritz Mauthner, die wir hier im Bilde vor-
führen. An diesem karakteristisch geschnitte-
nen Kopf kommt die geistreiche zum Spott
neigende Persönlichkeit des Verfassers des
satyrischen Werks »Nach berühmten Mustern«
voll zur Geltung.

Interessant ist auch die Porträtbüste eines
anderen Schriftstellers, des Lyrikers Stephan
George. In den Zügen des vielbesprochenen
Dichters prägt sich der Genius desselben in
überraschender Weise aus; das Traurige,
Melancholische, Gedämpfte und Verhaltene
der Lyrik dieses Poeten ist hier lebenswahr
in Marmor verewigt.

Die glänzendste Leistung im Porträtfach
ist wohl Max Kleins Nietzsche-Statue. Hier
ist es dem Künstler gelungen, das arbeitende
geistige Leben des grossen und so unglück-
lichen Philosophen wiederzugeben. Dieser
Mann ist zwar schon ein Kranker, der von
seinen rastlos treibenden und ringenden Ge-
danken innerlich verzehrt wird, aber es ist
noch nicht der Irrsinnige, der die Herrschaft
über sich und seinen Geist vollständig verlor.
Der Künstler erschüttert unser Innerstes
durch die packende Naturwahrheit und die
Verzweiflung, die in Kopf und Haltung
Nietzsches lebt; die seelische Schilderung
Nietzsches ist dem Meister trefflich gelungen.
Wir erblicken den Philosophen in dem Mo-
ment, wo er über irgend eine Stelle des
Buches, in dem er soeben gelesen, nach-
denklich geworden ist und still, düster und
starr vor sich hinblickt; wir fühlen, wie sich
seiner die Dämonen des Gespenstischen, Un-
fassbaren und der Verzweiflung bemächtigen
wollen — nur noch ein Weilchen, und die
den Geist vernichtenden Fluten des Wahn-
sinns ergiessen sich über einen der scharf-
sinnigsten und gottbegnadetsten Denker aller
Zeiten! Von den Bildern des kranken
Nietzsche ist diese Kleinsche Statue vielleicht
die meisterhafteste, weil sie am plastischsten
uns den Seelenzustand schildert, in dem sich
der Unglückliche befand, als die Zerrüttung
sich seines Geistes bemächtigen wollte und
er von der Gipfelhöhe gewaltiger Wahr-
heiten in völlige geistige Umnachtung zu
stürzen drohte. dr. adolph kohut.
 
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