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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Michel, W.: Margarete von Brauchitsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0262

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MARGARETE VON BRAUCHITSCH — MÜNCHEN.

Gestickte Kissen.

MARGARETE VON BRAUCHITSCH.

Wenige Jahre erst trennen die bekannte
Kunstgewerblerin Frau Margarete
v. Brauchitsch von ihren Anfängen, und doch
muss sie schon heute als eine der vorzüg-
lichsten weiblichen Kräfte auf dem weiten
Gebiete der Innen-Dekoration anerkannt
werden. Während sonst in der Regel auch
hier die Frauen die männliche Arbeit zu
kopieren pflegen, erscheint bei ihr der kluge,
scharfe Blick und der praktische Sinn des
Weibes als grosser positiver Vorzug, und
diesem Umstände hat M. v. Brauchitsch wohl
den raschen Erfolg zu danken, der ihr zuteil
geworden ist. Ja, sie hat sogar schon eines
der Hauptziele der modernen kunstgewerb-
lichen Entwicklung, die Vereinigung von
Kunst und Unternehmertum, praktisch ver-
wirklicht. Ihr Atelier ist nicht bloß Zeichen-
raum, sondern auch Werkstätte, wo für eigene
Rechnung gearbeitet wird und wo die Aus-
führung dem Entwurf, die Praxis der Theorie
in jedem Augenblicke korrigierend und
richtunggebend zur Seite steht.

Mit Konkurrenzen aller Art hat sie an-
gefangen und war besonders bei den zahl-
reichen Preis-Ausschreiben der »Deutschen
Kunst und Dekoration« öfters als Preis-
trägerin zu nennen. Allmählich hat sie sich
dann der Hauptsache nach auf die Stickerei
verlegt, um jetzt den Kreis ihrer Wirksamkeit

wieder zu erweitern und ihn auf das ganze
Gebiet der Innen-Ausstattung und der
Flächenkunst auszudehnen. Eine solche Ent-
wicklung spricht deutlicher als alle Theorie
für die grosse innere Einheit des modernen
dekorativen Prinzips, das durchaus kein eng-
herziges Spezialistentum züchtet, sondern die
schönste Universalität ermöglicht, wenn nur
die Person genug Ausdehnungslust mitbringt.
Es ist in der Tat gar nicht einzusehen,
warum jemand, der ein feines Gefühl für
das Zweckdienliche und Materialmögliche in
der Stickerei bekundet, nicht denselben Vor-
zug auch bei Entwürfen , zu Tapeten, Vor-
satzpapieren, Bucheinbänden und dergleichen
bewähren könne. Stoffe und Zwecke wechseln,
aber das dekorative Prinzip, der Blick für
das im einzelnen Fall Angebrachte, bleibt
sich gleich. Diese Fähigkeit feinen Ver-
ständnisses für den in den Formen wandel-
baren, im Geist aber stets beharrenden Sinn
der modernen Dekoration öffnet der freiesten
Betätigung Tür und Tor, und so wird ja
wohl auch M. v. Brauchitsch, aus der Energie
ihrer bisherigen Entwicklung zu schliessen,
in noch anderen Zweigen der dekorativen
Kunst die Vorzüge bewähren, die ihre heutigen
Arbeiten auszeichnen.

In den mächtigen Schaufenstern des
Möbel- und Teppichhauses Pössenbacher—

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