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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Michel, W.: Margarete von Brauchitsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0264

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Margarete von Brauchitsch.

MARGARETE VON BRAUCHITSCH—MÜNCHEN.

Gestickte Kissen imd Wandbehänge.

Das Motiv dieser Stickerei könnte kaum
einfacher und schöner sein: Rosetten, ein
paar Blätter, ein paar schlanke Linien, das
Ganze ein klein wenig an den reifen, pikanten
Wiener Stil erinnernd. Die grosse Divan-
decke erachtet die Künstlerin durch ein vier-
mal geteiltes Stickereiviereck genügend ge-
ziert, und es ist in der Tat erstaunlich, wie
dieser eine Fleck die grosse weisse Fläche
in allen ihren Teilen dekorativ belebt. Auch
die weisslackierten Möbel atmen ein wenig
Wienerischen Geist. Da ist die kastenartige
Form des Tisches, da sind die leichten Linien
in den Vergitterungen am Wäscheschrank,
da ist vor allem der feine, ästhetische, leicht-
sinnige Eindruck des Ganzen, den wir an
den Erzeugnissen der Donaustadt lieben ge-
lernt haben. Was macht's, dass die Lehnen
der zwei Stühle etwas gar zu hoch, dass
die ornamentalen Vergitterungen am Schrank
gar zu leicht, zu wenig »hölzern« sind?
Solche Fehler sind leicht zu vermeiden und
korrigieren sich bei längeren Arbeiten mit
dem Material schon ganz von selbst.

Als einer Erstlingsleistung gebührt auch

diesen Möbeln alle Achtung. Wie einfach
und doch wie anziehend steht das reizende
Toilette-Tischchen vor dem weissen Wand-
behang! Und doch wirkt es eigentlich nur
durch zwei dekorative Mittel: Stickerei und
Glas, letzteres als venezianisch geschliffene
Scheibe und als Spiegel. Desgleichen stellt
der Schrank vollauf seinen Mann. Kurz,
die Künstlerin bewies auch hier, dass sie
praktisch denkt und einen Innenraum sehr
wohl als ästhetische Einheit empfinden und
gestalten kann.

Die ausgestellten Kissen zeigen die
mannigfaltigsten ästhetischen Wirkungen und
reiche Abwechslung in den Mitteln. Neben
der rein linearen Wirkung des Ornamentes
zieht sie auch den Gegensatz zwischen der
Farbe des Grundes und der Stickerei als
ästhetisches Mittel heran. Bald ist der Ein-
druck diskret, zurückhaltend, vornehm, bald
entfalten die kleinen Dinger leuchtende,
warme Farbenpracht, bald wird durch Kon-
traste, bald durch Harmonien gewirkt. Ein
gewählter, sicherer Geschmack tritt klar bei
allen Stücken hervor.

W. MICHEL—MÜNCHEN.

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