Ernst Riegel—München.
romanischer Becherformen in
neuem Geiste zu gestalten,
und so spezifisch modern auch
die hier in Abbildung erschei-
nenden Ziergeräte anmuten, sie
bezeugen, welch starke Ein-
drücke unser Künstler von den
Feinschmiedewerken der Gotik
empfangen hat. Aber dieser
Eindruck ist selbständig ver-
arbeitet. Wie der letzte Gross-
meister der Gotik, ein Jörg
Syrlin mit spielender Hand die
alten tektonisch gebundenen
Formen wieder in das Ranken-
und Rippenwerk auflöst, aus
dem sie sich ursprünglich ge-
bildet, so sehen wir hier mit
nicht weniger Leichtigkeit um-
gekehrt aus pflanzlichen Mo-
Becher (Seite 385) die sogar
grün patiniert ist. — Etwas
von der herben Grazie des
edlen Kugel - Lorbeers wohnt
diesen grazilen, zartgestielten
Pokalen (Seite 384, 385) inne
man denkt an die schlanken
»beseelten« Bäumchen in den
umbrischen Landschaften des
Perugino oder den Cypressen-
gärten des jungen Lionardo.
Mit feinem Takt ist auch das
Figürliche angebracht. Niemals
wird die Plastik Selbstzweck,
wie man dies so oft bei kunst-
gewerblichen Versuchen unserer
zünftigen Bildhauer beobachtet.
Immer steht die Figur in Pro-
portion zu dem Gerät, dessen
immanenter Rhythmus auch in
E. RIEGEL.
Silberner Pokal.
E. RIEGEL-
1905.
—MÜNCHEN.
VI. 7.
Silberner Pokal.
tiven, dünnen Dolden-
stengeln, feinem Wur-
zelwerk und Blätter-
kronen feste Gebilde
um geschaffen. Aber
bei allem Naturgefühl,
das sich in diesen
leise bewegten Stie-
len, den zierlich ge-
bogenen Astchen und
Zweigen offenbart,
bleibt die Form doch
nirgends in natura-
listischer Nachbildung
befangen. Natur-Ab-
güsse finden sich in
tektonischer Bedeu-
tung nirgends ver-
wandt, wohl aber in
spielender Weise als
reizvoller Zierrat, wie
z. B. die Wunder-
blume in der Hand
der Bekrönungsfigur
auf dem Kakadu-
E. RIEGEL—MÜNCHEN.
Silberner Pokal.
385
romanischer Becherformen in
neuem Geiste zu gestalten,
und so spezifisch modern auch
die hier in Abbildung erschei-
nenden Ziergeräte anmuten, sie
bezeugen, welch starke Ein-
drücke unser Künstler von den
Feinschmiedewerken der Gotik
empfangen hat. Aber dieser
Eindruck ist selbständig ver-
arbeitet. Wie der letzte Gross-
meister der Gotik, ein Jörg
Syrlin mit spielender Hand die
alten tektonisch gebundenen
Formen wieder in das Ranken-
und Rippenwerk auflöst, aus
dem sie sich ursprünglich ge-
bildet, so sehen wir hier mit
nicht weniger Leichtigkeit um-
gekehrt aus pflanzlichen Mo-
Becher (Seite 385) die sogar
grün patiniert ist. — Etwas
von der herben Grazie des
edlen Kugel - Lorbeers wohnt
diesen grazilen, zartgestielten
Pokalen (Seite 384, 385) inne
man denkt an die schlanken
»beseelten« Bäumchen in den
umbrischen Landschaften des
Perugino oder den Cypressen-
gärten des jungen Lionardo.
Mit feinem Takt ist auch das
Figürliche angebracht. Niemals
wird die Plastik Selbstzweck,
wie man dies so oft bei kunst-
gewerblichen Versuchen unserer
zünftigen Bildhauer beobachtet.
Immer steht die Figur in Pro-
portion zu dem Gerät, dessen
immanenter Rhythmus auch in
E. RIEGEL.
Silberner Pokal.
E. RIEGEL-
1905.
—MÜNCHEN.
VI. 7.
Silberner Pokal.
tiven, dünnen Dolden-
stengeln, feinem Wur-
zelwerk und Blätter-
kronen feste Gebilde
um geschaffen. Aber
bei allem Naturgefühl,
das sich in diesen
leise bewegten Stie-
len, den zierlich ge-
bogenen Astchen und
Zweigen offenbart,
bleibt die Form doch
nirgends in natura-
listischer Nachbildung
befangen. Natur-Ab-
güsse finden sich in
tektonischer Bedeu-
tung nirgends ver-
wandt, wohl aber in
spielender Weise als
reizvoller Zierrat, wie
z. B. die Wunder-
blume in der Hand
der Bekrönungsfigur
auf dem Kakadu-
E. RIEGEL—MÜNCHEN.
Silberner Pokal.
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