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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Habich, Georg: Ernst Riegel - München
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Dr. G. Habich—München: Ernst Riegel—München.

ihr sich regt, in ihr sich vollendet und aus-
klingt. Wie sicher, leicht und selbstverständ-
lich steht die feine Bogenspannerin auf dem
Silberpokal (Seite 386), indem sie, die Ver-
tikalachse noch einmal betonend, die leben-
digen, im Aufbau des Ganzen wirkenden
Kräfte in sich aufnimmt und verkörpert.
Organisch wie ein Gebilde der Natur ent-
wickelt sich die Metamor-
phose der schlanken Daphne
(Seite 382) zur Pflanze. Der
Lorbeer der Kuppa ist hier,
wie bei dem »Baum der
Erkenntnis« mit der kleinen
Eva (Seite 384), streng hand-
werklich mit dem Meissel
behandelt, so dass die äussere
Form ihre Fläche bewahrt,
der Becher innen glatt bleibt.
Zwischen dem Wurzelwerk
sind Halbedelsteine einge-
sprengt. Selbst in der Be-
handlung der menschlichen
Körperformen ist eine ge-
wisse Harmonie mit dem
Charakter des Gefässes er-
strebt, wofür das originelle
Stück (Seite 384) ein sehr
gelungenes Beispiel darstellt.
— Von dem Reichtum der
technischen Mittel, über die
unser Künstler verfügt, ins-
besondere von der farbigen
Wirkung der Metallarbeiten
können unsere Abbildungen
kein genügendes Bild geben.
So besteht der Becher mit
dem hübschen Kakadufries
im Kern aus poliertem Sil-
ber, während der Mantel
aus Tombak gebildet ist,
worin Äste, Rippen und
Blätter, sowie die Vögel aus
Silber tauschiert und flach geschnitten sind.
Augen, Schnäbel und Füsse der Vögel sind
in schwärzlich patiniertem Gold eingelegt.
Das Blattwerk dagegen hat eine grünlich
schimmernde Patina erhalten. Die »Sieben
Raben« an dem Märchenbecher (Seite 385)
sind gar in Eisen eingesetzt und tragen
386

E. RIEGEL.

goldene Krönlein. Die Wurzeln seines Schaftes
umklammern schwarze Opale. Die Frucht-
dolde am Stiel des originellen Gefässes
(Seite 384) setzt sich aus acht glänzenden
Amethystkugeln zusammen.

Auch sonst hat sich Riegel auf kunst-
gewerblichem Gebiet betätigt. — Es ist kein
geringes Zeichen für die künstlerische Selb-
ständigkeit Riegels, dass
er trotz eingehenden Stu-
diums der alten Stilformen
und unter dem jahrelangen
Einfluss einer so ausge-
prägten Persönlichkeit wie
der seines Meisters Fritz
v. Miller, sich mit solcher
Leichtigkeit der modernen
Idee bemächtigt. Es gehört
eben Intelligenz dazu, um in
den alten Stilformen mehr
als Vorlagen, Musterblätter,
sondern das prinzipiell Rich-
tige, das Zweckentsprechende,
Materialgemäße zu erken-
nen, ohne in die Äusserlich-
keiten dieses oder jenes
Stils zu verfallen. Nie wird
Riegel einen von jenen pla-
tonischen Entwürfen übers
Herz bringen, die auf dem
Papier zwar ganz gut stehen
und, in schönen Aquarell-
farben angelegt, die Freude
aller Dilettanten ausmachen,
in der Ausführung aber un-
logisch, monströs, wenn nicht
schlechtweg unmöglich sind,
weil eben das Material ihrer
spottet. Man kann berühmte
Namen auf solchen phanta-
sievollen Blättern signiert
finden. Ernst Riegels Name
steht auf einem andern Blatt.
Sein Werk gehört zu den seltenen und darum
so besonders erfreulichen Erscheinungen, da-
rin die Begriffe »Kunst« und »Handwerk«
ihre gegensätzliche Bedeutung verloren haben,
und künstlerisches Empfinden und Technik,
Materie und Geist sich zu schöner Harmonie
durchdringen. —

Silberner Pokal.

DR- G. HABICH—MÜNCHEN.
 
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