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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Zoff, Otto: Die Angst um die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0099

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Die Angst um die Kunst.

ARCHITEKT KARL JOH. MOSSNER- BERLIN.

Salons dieser Generation Defregger anstatt
Leibi, Anton Werner anstatt Menzel, Grützner
anstatt Liebermann linden. Ja, dieser selbe
Liebermann, der heute untrennbar an der
Spitze einer Generation steht, welche uns die
ganze Schönheit der Welt erst erkennen lehrte,
war damals als der „Apostel der Häßlichkeit"
verschrien. Dieser selbe Liebermann mußte
damals seine „Konservenmacherinnen" in Ant-
werpen ausstellen (wo sie nicht nur verkauft,
sondern auch mehrfach nachbestellt wurden),
dieser selbe Liebermann mußte 1873 nach
Paris übersiedeln, weil ihm der gehäßigste
Chauvinismus der Franzosen noch ertragbarer
schien als das grenzenlose Unverständnis seiner
Landsleute. Für Leibis Dachauerinnen fand
man 1875 nichts anderes als Befremdung über
diese „unbegreifliche Vorliebe für häßliche
Bäuerinnen". Und so blieb dieses unver-
gleichliche Meisterwerk unverkauft und unbe-
achtet in der Fleischmannschen Kunsthandlung
in München, bis sie Munkacsy, der ungarische

BOOTSHAUS MIT WOHN

UND SCHLAFRAUM

Maler, gegen ein eigenes Bild umtauschte.
Oder soll man wirklich erst daran erinnern
müssen, wie dieselbe Generation mit Böcklin,
mit Marees, mit Feuerbach, oder wie sie mit
Nietzsche und Anzengruber verfuhr?

Nein, um die Kunst nach dem Kriege braucht
niemandem bange zu sein, und die Kunst nach
1870 braucht niemand über die Achsel anzu-
schaun. (Man möge lieber gar keine Vergleiche
zwischen 1870 und 1913 ziehn!) Was Angst
machen kann, das sind die Leute, welche die
Kunst, die uns nun kommen soll, wieder zu
fördern haben werden. An ihnen liegt es,
anstatt eines Kulturverfalles einen Aufstieg zu
schaffen. Die Künstler, — die werden schon
hier sein. Ob die andern hier sein werden —:
das muß unsre Sorge bleiben. Die Anton
Werners kann man — mit ein wenig Einsicht —
auf tausend Schritte erblicken. Und darum han-
delt es sich. Denn für die Kultur eines Volkes
genügt es nicht, die Genies nur zu besitzen.
Es muß auch wissen, daß es sie besitzt. —
 
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