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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Die Kunst des Tischdeckens
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0115

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DIE KUNST DES

\hr Auge, gütige Leserin, streift das prächtige
Tee-Service, die entzückende porzellanene
Parforce-Jagd, die geschliffene Glasvase, das
kostbare Linnenzeug mit 'würdigendem Blick —■
und dann kommt etwas Spott in Ihre Mund-
winkel und Sie sagen : „ Mit solchem Material
ist das Tischdecken wirklich keine Kunst!" —
Richtig bemerkt, meine Gnädige; }a, ich gehe
sogar noch ein wenig weiter wie Sie und sage •.
selbst wenn mit viel weniger kostbarem Mate-
rial ein anmutiger Tisch gedeckt wird, so ist
das doch noch nicht „Kunst", sondern lobens-
werte Geschmacksäußerung, eine Empfindungs-
sache. Und solches Empfinden läßt sich bil-
den. Aber eben: schönes Tischgerät zu
haben, daraui kommt es mit an.

Das ist garnicht so sehr eine Frage der Mittel,
als vielmehr eine Frage der herzlichen Bestre-
bung, des liebevollenEinkaufens. Freilich: alles
Erforderliche im nächsten Geschäft zusammen-
kaufen, das ist kostspielig und außerdem dilet-
tantisch. Aber das langsame Sammeln, das
zielbewußte Arbeiten, das Einstellen des haus-
fraulichenBegehrungsvermögens — alle Achtung
vor dieser Großmacht — auf dieses Ziel, das

üleses zta. da;

*»• <*..»„„,,, ■■■■.........—........

TISCHDECKENS.

ist es, was die Tafelschätze ins Haus zieht.
Der Ehrgeiz der Hausfrau kann auf diesem Ge-
biet garnicht genug angefeuert werden. Der
gedeckte Tisch, das wissen wir alle, ist eine
sehr wichtige Sache. Die Stunde, da der Mensch
bei Tafel sitzt, ist er ästhetisch gestimmt. Mehr
als sonst ist er zu feinerem Genießen aufgelegt,
er befindet sich in einer behaglichen Passivität,
die der Aufnahme von schönen Eindrücken so
außerordentlich günstig ist.

Alles faßt er mit einer besonderen Dankbar-
keit der Sinne auf. Es ist eine Stimmung, die
ans Festliche streift. Das macht der mit „Kunst"
gedeckte Tisch sich zunutze. Die Hausfrau, die
ihre Sache versteht, ist unablässig bestrebt, das,
was zunächst nur dem Bedürfnis der Nahrungs-
aufnahme zu dienen scheint, ins Festliche zu
steigern. So wird der gedeckte Tisch zu einer
Quelle ästhetischer Lust, deren „Nährwert" für
den geistigen und leiblichen Menschen nicht
gering zu schätzen ist. Ganz abgesehen davon,
daß auch der gedeckte Tisch eine Angelegen-
heit der allgemeinen Lebensverfeinerung ist, zu
der wir uns immer mehr erziehen müssen. Aus
diesen Gründen zeigen wir unsere Abbildung.



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