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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Frank, Willy: Vom Verlangen nach Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0119

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VOM VERLANGEN NACH SCHÖNHEIT.

Wir verlangen Schönheit von den Dingen,
die uns umgeben, vom Gerät des Tisches,
von den Schätzen des Linnenschrankes, von
allem, was uns im Hause dient, sei es Holz,
Metall oder Gewebe. Und was bedeutet in
diesem Falle „Schönheit"? Zunächst eine An-
nehmlichkeit für die Sinne, einen Reiz der Form,
der uns Lustgefühle spendet. Dürfen wir dem-
nach sagen, die Schönheitsforderung sei der
Ausfluß einer verfeinerten Genußsucht? Ein
Streben nach Erschließung weiterer Lustquellen,
über das Praktische und Gediegene hinaus?
Ich glaube, jeder Hausfrau würde es wider-
streben, die Sache so und nur so anzusehen
Denn sie verlangt „Schönheit" von ihrem Haus-
wesen nicht etwa mit dem Gefühl, es sei dies
eigentlich ein Überfluß. Wenn wir Schönheit
um uns her schaffen, so kommen wir uns keinen
Augenblick als „Genießer" vor, im Gegenteil:
wenn jemand diese Schönheitsforderungan seine
Umgebung nicht stellt, dann erscheint uns
dies nicht nur als ästhetische Ahnungslosigkeit,
sondern fast als ein Mangel im Sittlichen, als
eine Minderwertigkeit. Ein solcher Mensch
käme uns nicht ganz vollständig vor, er schiene
uns mit einem Defekt behaftet. Gerade bei
unseren doch gewiß nüchtern denkenden und
allzeit auf das Praktische gerichteten Frauen
drückt sich dieser wie ein Naturtrieb auftretende
Drang nach „Schönheit" lebhaft aus. Was sie
der Wäscheausstattung, dem Fensterschmuck,
dem gedeckten Tisch an Auf Wendungen opfern,
das dünkt ihnen allzeit richtig angebracht, wäh-
rend sonst der geringste Pfennig bei ihnen be-
kanntlich in hohen Ehren steht. „Schönheit"
dünkt ihnen nichts Entbehrliches, sondern sie
sehen in ihr — mögen sie auch sonst erbittert
sein gegen jede Ideologie — einen der Zwecke

des bürgerlichen Daseins. Sie ist ihnen viel
mehr als ein bloßer Schmuck. Sie wollen ohne
diese Art „Schönheit" nicht leben. Und so hat
die Menschheit seit uralten Zeiten gedacht; mit
ihrem ersten Auftauchen aus der Dumpfheit des
Tierlebens stellen sich auch die ersten Regungen
des Schönheitsbedürfnisses ein, ja sogar, wenn
Kunst Spiel ist, noch früher. Ohne den holden
Überfluß, den wir in allen seinen verschiedenen
Gestalten „Schönheit" nennen, will die Mensch-
heit nicht leben. Der gemeine Sprachgebrauch
behandelt das Schöne oft herablassend. Er
stellt es gern in einen nachteiligen Gegensatz
zum Guten oder Nützlichen. Aber es ist ihm
doch damit nicht ganz Ernst. Denn zu zahl-
reich sind die Beweise dafür, daß dem Volke,
von den höchsten bis zu den niedersten Schich-
ten, ja bis zu den Ausgestoßenen und Verwor-
fenen hinab, das Schöne, sowie es dasselbe
versteht, unentbehrliche Nahrung seines Lebens
ist. Das Schöne ist der Sonne verwandt: es
leuchtet allen und nährt alle. Es ist nicht allen
gegeben, aus den reinsten Quellen der Schön-
heit zu trinken. Kunst zu genießen erfordert
eine gewisse Mitarbeit und ein Eingeweihtsein
in das Wesen künstlerischen Schaffens. Solches
ist aber nicht häufig, und Verständnislosigkeit
gegenüber den Bedingungen künstlerischer
Werterzeugung findet sich oft auch bei denen,
die sich auf ihre Kennerschaft viel zugute tun.
Aber dafür sind die minderen und gewisser-
maßen verhüllteren Ausstrahlungen der Schön-
heit allem Volke zugänglich. Wem das titanische
Ringen der kühnen Neuerer nichts zu sagen
vermag, den erfreut die Ewige doch noch in
Form eines zierlich gebauten Möbels, einer
edlen Spitze, eines farbenschönen Wandtep-
pichs, einer feinen Stickerei. . . willy frank.

PROFESSOR JOSEF HOFFMANN WIEN. »SILBERNE FRUCHTSCHALE« AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTATTE-WIEN.
 
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