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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Frank, Willy: Vom Verlangen nach Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0125

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entwurf: professur
josef hoffmann - wien.
ausf: wiener werkst.

proschen
in silber getrieben m11
email-einlage.

Die Menschen empfinden im
allgemeinen eine große
Freude an der Farbe. Das
Auge bedarf ihrer, wie es des
Lichtes bedarf. Man erinnere
sich der Erquickung, wenn an
einem trüben Tage die Sonne
auf einen einzelnen Teil der
Gegend scheint und die Farben
daselbst sichtbar macht. Daß
man den farbigen Edelsteinen
Heilkräfte zuschrieb, mag aus
dem tiefen Gefühl dieses un-
aussprechlichen Behagens ent-
standen sein..... goethe.

Ä

Natur! Wir sind von ihr um-
geben und umschlungen
— unvermögend, aus ihr her-
auszutreten, und unvermögend,
tiefer in sie hinein zu kommen.
Ungebeten und ungewarnt
nimmt sie uns in den Kreis-
lauf ihres Tanzes auf und treibt
sich mit uns fort bis wir er-
müdet sind und ihrem Arme
entfallen. - Sie schafft ewig
neue Gestalten; was da ist,
war noch nie; was war, kommt
nicht wieder: alles ist neu und
doch immer das Alte. — Wir
leben mitten in ihr und sind
ihr fremd. Sie spricht unauf-
hörlich mit uns und verrät uns
ihr Geheimnis nicht. Wir wir-
ken beständig auf sie und
haben doch keine Gewalt über

prof.jos. hoffmann. silberne brosche.

brosche in silber getrieben mit email.

sie. - Sie scheint alles auf In-
dividualität angelegt zu haben
und macht sich nichts aus den
Individuen. Sie baut immer
und zerstört immer, und ihre
Werkstätte ist unzugänglich.
— Sie lebt in lauter Kindern;
und die Mutter, wo ist sie? -
Sie ist die einzige Künstlerin:
aus dem simpelsten Stoff zu
den größten Kontrasten; ohne
Schein der Anstrengung zu der
größten Vollendung — zur ge-
nauesten Bestimmtheit, immer
mit etwas Weichem überzogen.
Jedes ihrer Werke hat ein
eigenes Wesen, jede ihrer Er-
scheinungen den isoliertesten
Begriff, und doch macht alles
eins aus. — Es ist ein ewiges
Leben, Werden und Bewegen
in ihr, und doch rückt sie nicht
weiter. Sie verwandelt sich
ewig und ist kein Moment
Stillstehen in ihr. Fürs Blei-
ben hat sie keinen Begriff,
und ihren Fluch hat sie ans
Stillestehen gehängt. Sie ist
fest. Ihr Tritt ist gemessen, ihre
Ausnahmen selten, ihre Geseke
unwandelbar. — Sie läßt jedes
Kind an sich künsteln, jeden To-
ren über sich richten, Tausende
stumpf über sich hingehen und
nichts sehen, und hat an allen
ihre Freude und findet bei allem
ihre Rechnung. . . . goethe.
 
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