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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Mayr, Karl: Zwölf Kriegs-Radierungen von Erich Erler
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0157

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ZaiölJ Kriegs-Radierungen von Erich Erler.

Wappneter mit hartem Ausdruck dar, den
Hammer in der Hand, die Feinde am Boden
hingeschmettert. Ein besonders großartiges,
hochpoelisches Blatt ist das „Entsetzen". Wie da
die aufgepeitschte Bevölkerung, wahnsinnig vor
Angst, Hals über Kopf dahinflieht, verfolgt von
der hochaufschlagenden, den ganzen Horizont
einnehmenden, fressenden, eine unheimliche
Gestalt annehmenden Lohe, das ist ein Triumph
der Linie, ein unbeschreiblicher Eindruck. Rüh-
rendruht im folgenden Blatt, den „Blutzeugen",
ein fast knabenhafter Jüngling, den der Zorn
auf die Gegner aus dem Schoß der Familie in
den mörderischen Kampf getrieben, neben einem
bärtigen Manne in der Vollkraft seiner Jahre;
sie haben im Schützengraben ausgeblutet und
schwarze Glaskränze legten die Kameraden den
Helden auf die Brust. Das bewegendste Blatt
nennt sich „Mütter": eine alte Bauersfrau mit
hartem Antlitz kniet einsam in einer Kirche,
tief in Gebet versunken j hinter ihr ein Christus,
der gleichfalls ausgerungen hat und über den
sich fast schemenhaft in magischem Leben aus
der Dämmerung hervortauchend die Mutter
Maria mit schmerzerfülltem Ausdruck neigt.
Auch der Sohn der Bäuerin starb für eine Idee.
Grandios wirkt das auf England gemünzte
„Apokalyptische Tier": aus den Wogen des

Weltmeers bildet sich triefend ein Pardel und
mit ihm steigt das Weib aus dem Ozean auf,
trunken und aufs neue lechzend nach Blut;
hinter der grauenhaften Erscheinung finster und
unheimlich die Panzer der modernen Kriegs-
schiffe. Eine großzügig hingestellte Frau, die an
Stelle des Mannes das Saatkorn für das „Neue
Brot" in die Erde wirft, schließt den Zyklus.

Man ginge gründlich irr, wenn man die pracht-
volle Reihe dieser Radierungen eben nur als
Kriegsbilder werten wollte. Sie sind weit mehr
als nur starke Denkmale großer Tage. Wir be-
grüßen sie vor allem als geistgeborene, echte
deutsche Kunstwerke. Als solche werden sie
dauernden Wert behalten. Sie sind ein Zeugnis
dafür, daß die bildende Kunst nicht unwert der
Gegenwart ist und daß sie nicht bloß Absichten
hat, sondern auch zeugungsfroh in das neue
deutsche Weltalter eintritt. Durch dieses Dut-
zend Kompositionen ist die Geschichte der
deutschen Radierung um einen bedeutenden
Namen und um ein unvergängliches Werk
reicher geworden. Möge der Künstler die bis-
her verborgene Schatzkammer seines Herzens,
die er nun geöffnet hat, nicht wieder schließen
und möge ihm bald wieder ein solcher Wurf
gelingen wie es dieser vom Hauch des Genialen
umwitterte Zyklus ist. . . . prof. ka.rl mayr.

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