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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Schulze, Otto: Die Technik als Trägerin des künstlerischen Ausdrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0174

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Die Technik als Trägerin des künstlerischen Ausdrucks.

standen werden konnte, denn unsere Siege im
Osten wie im Westen entstammen der gleichen
Ausstrahlung jener Typforderung. Parallel mit
Feldwaffen gehen die geistigen und kulturellen
Waffen eines Volkes; auch die wirkliche Kultur
verlangt Ordnung und einheitlich geschlossenen
Ausdruck in ihrer Gesamt-Erscheinung trotz
abweichender wissenschaftlicher Denkweise
und künstlerischer Grundsätze. Da wir die sicht-
baren Zeichen davon nur nach ihrer Erschei-
nungsform bewerten können, muß diese der
Niederschlag des formalen Ausdrucks sein. Und
nur auf diesen kommt es zunächst in der Welt
an. Das in der Fülle der Erscheinungen Ver-
sinkende, Unbestimmbare findet keine Beach-
tung. Der Typ im Sinne der Forderungen
Muthesius sollte aber das für eine gegenständ-
liche Sache erreich-
bare Ausdruckmittel
der Form und Erschei-
nungsein: Vollendung
in einfachster Art. —
Früher hieß es: „Tech-
nik sei Alles", ihr ent-
spränge dieForm nach
innerem Gesetz, nach
Bestimmung und Ge-
fühl. Das letztere wer-
de von ästhetischen
Grundsätzen geleitet,
die wiederum Ausfluß
der kulturellen Aus-
drucksmittel einerZeit
seien. Der Sieg der
Technik ist heute ein
unbestrittener; daß er
auf der Seite Deutsch-
lands liegt, nicht min-
der — der Unmut un-
serer Widersacher be-
weist das überzeu-
gend. Dahinter steht
der Sieg des Deutsch-
tums, der aus dem an-
fangs geplanten un-
blutigen zu einem
blutigen gegen un-
sern Willen geworden
ist. Das Naturgesetz
schützt die Starken,
läßt Schwache zu-
grunde gehen. Im
Erhaltungsgesetz der
Staaten gilt das glei-
che; der Erhaltungs-
trieb läßt zu den je-
weils bestgeeigneten

MODEHAUS »ALFRED-MARIE« HOI.ZSCHN. A. OFFTERDIXGER.
KLEID A. SCHWARZ. KREPPSTOFF. TAILLE M. HÖCHST. KRAGEN.

Mitteln greifen, und alle Vorteile gelten hierbei
bis zur Schutz- und Abwehr-Form. Die besten
Schutz- und Abwehr-Formen entspringen wei-
sester Absicht, auch sie sind letzthin nur Aus-
strahlungen höchster Technik. Die Festigung
und Stärkung des Sicherheitsgefühls verschönt
dann die bloße Zweck- und Nutzform, die in
langen Friedenszeiten wieder bis zur Charak-
terlosigkeit verweichlicht. Davor müssen wir
uns zu bewahren suchen durch einen ständigen
Kampf, den wir dauernd gegen uns selber führen,
der technisch geführt wird, der immer bessert;
nicht nach der Seite des Reichtums der Er-
scheinung, sondern nach der Seite der brauch-
baren, einschmeichelnden und begehrlichen
Form. Und diese Form muß stets den Eindruck
der Neuheit machen und doch desselben Ur-
sprungs sein wie die
voraufgegangene. Typ
und Charakter fließen
hierbei zusammen; sie
werden um so ein-
wandfreier sein, je
mehr die Mühen der
Technik und die Wi-
derstände des Mate-
rials von der Form des
endgültigen Werkes
überwunden schei-
nen. Also Können
und Wollen des Aus-
führenden müssen sich
decken, Tat und Ab-
sicht die in Anspruch
genommenen Kräfte
so bannen, daß sie völ-
lig überwunden schei-
nen. — Der künstleri-
sche Ausdruck wird
um so vollendeter sein,
je mehr die Spuren
des voraufgegangenen
Schöpfungsvorganges
verwischt scheinen.
Nicht wie ein Werk
gemacht ist, sondern
wie es uns erscheint,
wie es seiner Aufgabe
dient, seinen Platz
füllt und uns anspricht,
also die Summe des
in ihm Ruhenden und
seiner Erscheinung be-
wirkt unser persön-
liches Verhältnis zu
seinem Dasein.....

PROF. OTTO SCHULZE.
 
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