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ARCHITEKT PROFESSOR Dr. OSKAR STRNAD— WIEN. ENTWURF ZU EINEM DENKMAL IN WALDIGEM TAL
OESTERREICHISCHE DENKMALKUNST.
Nach einer Bemerkung in den „Wahlver-
wandtschaften" fiel es schon Goethe auf,
wie erstaunlich es ist, daß — zu seiner Zeit —
den Grabmalkünstlern nichts anderes einfallen
wollte, als immer wieder der Obelisk, die ab-
gebrochene Säule, der Genius mit der gesenk-
ten Fackel und ähnliche geistlose Wieder-
holungen längst abgebrauchter Motive. Aber
noch mehr als hundert Jahre mußten vergehen,
bis auf diesem Gebiete Besserung kam. Wir
wissen, daß heute für jeden, der auf dem Grab
eines Angehörigen ein in der Form anstän-
diges Erinnerungszeichen zu sehen wünscht,
gute Arbeiten und gute Künstler zur Verfügung
stehen. Aber damit, daß das Gute erreichbar
ist, ist das Schlechte noch nicht überall ver-
drängt. Denn das Gute kommt nicht überall
hin. Die Grabstein-Industrie der kleinen und
mittleren Städte bewegt sich noch vielfach im
alten bösen Geleise, und auf dem Lande ent-
stehen, wo man sich nicht mit dem alt-ehr-
würdigen Grabkreuz begnügen mag, immer
noch minderwertige Gräberzeichen in Fülle.
Dasselbe gilt für die Denkmäler. Vielfach sind
in den letzten Jahren noch in großen und kleinen
Gemeinden Kriegerdenkmäler errichtet wor-
den. Der schlechte Denkmalgeist, der im offi-
ziellen Deutschland herrscht, erzeugte noch in
der durch Sparsamkeitsrücksichten gebotenen
ländlichen Verdünnung ungenügende, ja gerade-
zu zweckwidrige Dinge. Denn wenn solch ein
dörflicher Denkmalslöwe, wie er beispielsweise
in den pfälzischen Gemeinden Weidenthal oder
Alt-Leiningen zu sehen ist, bei jedem einiger-
maßen gebildeten Passanten ein schallendes
• November 1915. 7
Gelächter hervorruft, so kann man ihm nicht
nachsagen, daß er seinen Zweck erfüllt.
Der Krieg hat uns alles, was es in der Grab-
und Denkmalkunst an Fragen, Hoffnungen und
Sorgen gibt, mit einem Schlage sehr nahe ge-
rückt. Es ist eine Zeit ungewöhnlicher ethischer
Kraftentfaltung; aber so muskulös diese Gegen-
wart auch im Sittlichen ist, so wenig dürfen
wir uns verhehlen, daß damit über ihre Fähig-
keit zu künstlerischem Ausdruck nichts ent-
schieden ist. Es geschehen große Taten, und
viele tapfere Männer geben ihr Leben hin. Den
Menschen und den Taten müssen Denkmäler
gesetzt werden, dem dankbaren Herzen zur
Entlastung, den Späteren zum Gedächtnis.
Welches ist das Gefühl, mit dem wir künst-
lerisch Interessierten diesen kommenden Denk-
mälern entgegensehen? Nackt gesagt: es ist
Furcht. Es gibt Kunstfreunde, die eine völlige
begriffliche Trennung solcher vaterländisch an-
gewandten Kunst von der anderen, der eigent-
lichen Kunst empfehlen. Das ist ein ungang-
barer Ausweg. Wir dürfen nicht darauf ver-
zichten, an die vaterländischen Kunsterzeug-
nisse, die im Idealfalle doch Äußerungen
des Gesamtvolkes sind, die künstlerische
Forderung zu stellen. Wir dürfen der schlechten
Gesinnungskunst keinen Freibrief ausstellen.
Sondern wir müssen auch hier dem Ausdrucks-
willen helfend zur Seite stehen.
Aus der Absicht, diesen jetzt überall in
Tätigkeit gesetzten Ausdruckstrieb vor Ver-
irrungen zu bewahren, ist das verdienstliche
Werk entstanden, dem diese Abbildungen ent-
nommen sind: Soldatengräber undKriegs-
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ARCHITEKT PROFESSOR Dr. OSKAR STRNAD— WIEN. ENTWURF ZU EINEM DENKMAL IN WALDIGEM TAL
OESTERREICHISCHE DENKMALKUNST.
Nach einer Bemerkung in den „Wahlver-
wandtschaften" fiel es schon Goethe auf,
wie erstaunlich es ist, daß — zu seiner Zeit —
den Grabmalkünstlern nichts anderes einfallen
wollte, als immer wieder der Obelisk, die ab-
gebrochene Säule, der Genius mit der gesenk-
ten Fackel und ähnliche geistlose Wieder-
holungen längst abgebrauchter Motive. Aber
noch mehr als hundert Jahre mußten vergehen,
bis auf diesem Gebiete Besserung kam. Wir
wissen, daß heute für jeden, der auf dem Grab
eines Angehörigen ein in der Form anstän-
diges Erinnerungszeichen zu sehen wünscht,
gute Arbeiten und gute Künstler zur Verfügung
stehen. Aber damit, daß das Gute erreichbar
ist, ist das Schlechte noch nicht überall ver-
drängt. Denn das Gute kommt nicht überall
hin. Die Grabstein-Industrie der kleinen und
mittleren Städte bewegt sich noch vielfach im
alten bösen Geleise, und auf dem Lande ent-
stehen, wo man sich nicht mit dem alt-ehr-
würdigen Grabkreuz begnügen mag, immer
noch minderwertige Gräberzeichen in Fülle.
Dasselbe gilt für die Denkmäler. Vielfach sind
in den letzten Jahren noch in großen und kleinen
Gemeinden Kriegerdenkmäler errichtet wor-
den. Der schlechte Denkmalgeist, der im offi-
ziellen Deutschland herrscht, erzeugte noch in
der durch Sparsamkeitsrücksichten gebotenen
ländlichen Verdünnung ungenügende, ja gerade-
zu zweckwidrige Dinge. Denn wenn solch ein
dörflicher Denkmalslöwe, wie er beispielsweise
in den pfälzischen Gemeinden Weidenthal oder
Alt-Leiningen zu sehen ist, bei jedem einiger-
maßen gebildeten Passanten ein schallendes
• November 1915. 7
Gelächter hervorruft, so kann man ihm nicht
nachsagen, daß er seinen Zweck erfüllt.
Der Krieg hat uns alles, was es in der Grab-
und Denkmalkunst an Fragen, Hoffnungen und
Sorgen gibt, mit einem Schlage sehr nahe ge-
rückt. Es ist eine Zeit ungewöhnlicher ethischer
Kraftentfaltung; aber so muskulös diese Gegen-
wart auch im Sittlichen ist, so wenig dürfen
wir uns verhehlen, daß damit über ihre Fähig-
keit zu künstlerischem Ausdruck nichts ent-
schieden ist. Es geschehen große Taten, und
viele tapfere Männer geben ihr Leben hin. Den
Menschen und den Taten müssen Denkmäler
gesetzt werden, dem dankbaren Herzen zur
Entlastung, den Späteren zum Gedächtnis.
Welches ist das Gefühl, mit dem wir künst-
lerisch Interessierten diesen kommenden Denk-
mälern entgegensehen? Nackt gesagt: es ist
Furcht. Es gibt Kunstfreunde, die eine völlige
begriffliche Trennung solcher vaterländisch an-
gewandten Kunst von der anderen, der eigent-
lichen Kunst empfehlen. Das ist ein ungang-
barer Ausweg. Wir dürfen nicht darauf ver-
zichten, an die vaterländischen Kunsterzeug-
nisse, die im Idealfalle doch Äußerungen
des Gesamtvolkes sind, die künstlerische
Forderung zu stellen. Wir dürfen der schlechten
Gesinnungskunst keinen Freibrief ausstellen.
Sondern wir müssen auch hier dem Ausdrucks-
willen helfend zur Seite stehen.
Aus der Absicht, diesen jetzt überall in
Tätigkeit gesetzten Ausdruckstrieb vor Ver-
irrungen zu bewahren, ist das verdienstliche
Werk entstanden, dem diese Abbildungen ent-
nommen sind: Soldatengräber undKriegs-