Über einige Grenzen der Malerei.
MARIA CASPAR FILSER MÜNCHEN.
GEMÄLDE »AM STARNBERGER SEE«
das Irdische himmlisch und unvergänglich ist:
„Ach, kein Steg will dahin führen,
Ach, der Himmel über mir
Will die Erde nie berühren,
Und das Dort ist niemals hier."
Und in dem andern führt der Wanderer, der
dort seine Anker werfen will, „wo kein Hauch
mehr weht, und der Markstein der Schöpfung
steht", das folgende Gespräch mit dem ihm
begegnenden Pilger:
„Steh! Du segelst umsonst — vor dir Unendlichkeit!"
„„Steh! Du segelst umsonst — Pilger, auch hinter
Senke nieder [mir!
Adlergedanke, dein Gefieder!
Kühne Seglerin, Phantasie,
Werf dein mutloses Anker hie.""
So begrenzt sich alles künstlerische Schaffen
notwendig aus seiner inneren Natur, und das
Unendliche ist nicht unmittelbar, sondern nur
an der individuellen, gesonderten Erscheinung
sein Stoff. Wer das Unendliche selbst, das
Universum als solches mit künstlerischen Mitteln
glaubt fassen zu können, befindet sich in einem
fundamentalen Irrtum über das Wesen der
Kunst und ihre notwendigen Schranken. Heb-
bel, der sein ganzes Leben lang über die Größe
und die Grenzen des Machtbereiches der Kunst
nachgedacht hat, sagt einmal in seinen Tage-
büchern: „Der Maler kann nicht die Sonne dar-
stellen." Dieser Satz, der jeden Kenner der
modernen Malerei auf ein bestimmtes Einzel-
beispiel weist, enthält eine um fünfzig Jahre
vorweg genommene, autoritative Kritik der van
Goghschen Kunst in ihren Grundlagen.
Aber auch das ist noch ein Irrtum, daß der
Künstler, wenn er nur einmal das Unendliche
begrenzt hat, sich nun in diesen Schranken frei
und willkürlich bewegen kann. Bei dem unzer-
trennlichen Zusammenhang von Inhalt und Form
in jedem Kunstwerk ist mit der einen Beson-
derung eine ganze Fülle anderer Beschränkungen
gegeben, so vor allem diese: daß der Künstler
nicht jedes beliebige wirksame Ausdrucksmittel
anwenden darf, sondern nur diejenigen, die
einheitlich unter sich selbst und in Bezug auf
das Ganze sind. Handgreiflich deutlich wird
die Notwendigkeit dieser selbstgesetzten Be-
MARIA CASPAR FILSER MÜNCHEN.
GEMÄLDE »AM STARNBERGER SEE«
das Irdische himmlisch und unvergänglich ist:
„Ach, kein Steg will dahin führen,
Ach, der Himmel über mir
Will die Erde nie berühren,
Und das Dort ist niemals hier."
Und in dem andern führt der Wanderer, der
dort seine Anker werfen will, „wo kein Hauch
mehr weht, und der Markstein der Schöpfung
steht", das folgende Gespräch mit dem ihm
begegnenden Pilger:
„Steh! Du segelst umsonst — vor dir Unendlichkeit!"
„„Steh! Du segelst umsonst — Pilger, auch hinter
Senke nieder [mir!
Adlergedanke, dein Gefieder!
Kühne Seglerin, Phantasie,
Werf dein mutloses Anker hie.""
So begrenzt sich alles künstlerische Schaffen
notwendig aus seiner inneren Natur, und das
Unendliche ist nicht unmittelbar, sondern nur
an der individuellen, gesonderten Erscheinung
sein Stoff. Wer das Unendliche selbst, das
Universum als solches mit künstlerischen Mitteln
glaubt fassen zu können, befindet sich in einem
fundamentalen Irrtum über das Wesen der
Kunst und ihre notwendigen Schranken. Heb-
bel, der sein ganzes Leben lang über die Größe
und die Grenzen des Machtbereiches der Kunst
nachgedacht hat, sagt einmal in seinen Tage-
büchern: „Der Maler kann nicht die Sonne dar-
stellen." Dieser Satz, der jeden Kenner der
modernen Malerei auf ein bestimmtes Einzel-
beispiel weist, enthält eine um fünfzig Jahre
vorweg genommene, autoritative Kritik der van
Goghschen Kunst in ihren Grundlagen.
Aber auch das ist noch ein Irrtum, daß der
Künstler, wenn er nur einmal das Unendliche
begrenzt hat, sich nun in diesen Schranken frei
und willkürlich bewegen kann. Bei dem unzer-
trennlichen Zusammenhang von Inhalt und Form
in jedem Kunstwerk ist mit der einen Beson-
derung eine ganze Fülle anderer Beschränkungen
gegeben, so vor allem diese: daß der Künstler
nicht jedes beliebige wirksame Ausdrucksmittel
anwenden darf, sondern nur diejenigen, die
einheitlich unter sich selbst und in Bezug auf
das Ganze sind. Handgreiflich deutlich wird
die Notwendigkeit dieser selbstgesetzten Be-