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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Zuckerkandl, Bertha: Josef Hoffmann, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0251

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Josef Hoffmann- Wien.

PROFESSOR JOSEF HOFFMANN—WIEN.

»HAT'S IN HIETZ1.NC.« ANSICHT DER * > A K TEN SEITE.

welche energisch genug war um Phantasie zu
opfern, wo es galt, vorerst die Form als Ausdruck
der Notwendigkeit festzustellen. Erst nachdem
in langen Jahren der Werkarbeit er den Besitz
aller Material-Echtheit errungen, die Logik der
Struktur gesichert, und sie im weiten Kreis sei-
ner Schule ebenso als ethisches, wie ästhetisches
Prinzip verankert hatte, erst dann kam der
schöne Augenblick der freien Hingabe an sein
während der Lern- und Lehrjahre unendlich
bereichertes Selbst. Aufmerksame Beobachter
der Hoffmannschen Entwicklung konnten schon
1908 in der Kunstschau den Beginn einer neuen
Periode erkennen. Seine bisher rein kubischen,
flächig schmucklosen Gestaltungen und die bis
dahin geometrische Linienführung seiner Orna-
mente waren von einem neuen Rhythmus beseelt.
Jetzt offenbart der Künstler den zurückgestau-
ten Reichtum seines sinnlichen Neuerlebens. Als
Baukünstler zeigt er zum ersten Mal im Hause
Ast (Hohe Warte), wie aus dem Beton orna-
mentale Schmuckwirkung gewonnen werden
kann; als Innenkünstler zeitigt er im Holzmöbel
das Motiv der reliefgeschnitzten Füllungen, und
der Perlmutter-Einlagen, die, in eine edel be-

grenzte Fläche sparsam eingesetzt, juwelen-
gleich wirken. Wie im Ornament nun Laub und
Blüten, Beeren und Knospen, Stiele und Rippen
aneinanderdrängen, sich schlingen, aufstreben
und abklingen, das gibt leidenschaftlich er-
fühltes Erleben wieder. Immer allerdings mit
jenem keuschen Maß der Abgrenzung, das wie
ein Abglanz frühen Griechentums über des
Meisters Gestaltungen sich breitet.

Zwei neue Aufgaben differenziertester Art
zeigen nun die Unerschöpflichkeit dieser genialen
Baukünstler-Phantasie und die Bereicherung,
welche die Ausdrucks - Kultur überhaupt ihr
verdankt. Ein Wohnhaus in dem durch das
Schönbrunner Schloß zu einem der vornehmsten
Gartenviertel alt-wiener Baukultur gehörenden
Hietzing und ein Landhaus in Winkelsdorf bei
Mährisch-Schönberg, am Fuß des Altvaters ge-
legen, sind für einen Künstler, der wie Hoff-
mann das subtilste Gefühlsvermögen für die
Harmonie einer Baueinheit besitzt — das heißt:
für den Stil der Umgebung, für den Charak-
ter des Landschaftbildes, für die Wesensart
der Menschen, für die Tönung der Atmosphäre,
für den Zusammenhang von Material und Ört-

*IX- Dezember 1915. 5
 
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