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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Jaumann, Anton: Die Kunst am Kurfürstendamm: läden und Kaffeeräume von Architekt Lucian Bernhard, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0325

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ARCHITEKT LUCIAN BERNHARD—BERLIN. »KAFFEEHAUS KURFÜRSTENDAMM« LOGEN.

DIE KUNST AM KURFÜRSTENDAMM.

LÄDEN UND KAFFEERÄUME VON ARCHITEKT LUCIAN BERNHARD—BERLIN.

Wiegendes Gleiten, spitzes Wippen, Locken
süßer Augen, Gruppen, die sich bilden
und lösen, Beobachten, Grüßen, Hinweghuschen
über die Menge, leises Kichern, gefährliche An-
deutungen und schillernde Leerheiten — so
fließen die menschlichen Wogen dahin, zwischen
weichem Dunkel und blitzenden Lichtern. Nicht
das nährende Blut der Arbeit sammelt sich in
dieser Ader; die Schmetterlinge sind es, die um
die Wonnen des Genusses flattern. Hierher
münden die Wege aller jungen und ältlichen
Sehnsüchte. Die verbrämte Armut kommt und
die glotzende Leere des Reichtums. Man kostet
die Nähe des Luxus, man schmiegt sich ein in
die Atmosphäre der Gelegenheiten, wie in ein
Kissen, das von sündhaft fremden Düften ge-
schwängert ist. Ein Flüstern irrt zag über den
Menschenreihen, ein verhaltener Ton schwebt
darüber, der mit ahnungsvollem Schleier Tiefen
und Untiefen verhüllt. Man tut gleichgültig,
gesättigt, und heimlich ist es eine peinigende
Jagd harmloser oder böser Seelchen nach ein

XIX. Jamitr 1918. 5

bißchen Genuß, und immer wieder Genuß.
— Und hier, an dieser buntschillernden Ader
des Vergnügens hat sich auch die Kunst an-
gesiedelt. Darf man sich darüber wundern?
Oder gar entrüsten? Der Kunst scheint eine
wohlig-sinnliche Umgebung sehr willkommen zu
sein, und auch in andern Städten kann man die
Beobachtung machen, wie sie aus der frostigen
Nähe der Museen sich zu den Menschen flüchtet,
da wo sie am genußfreudigsten sind. So haben
wir am Kurfürstendamm jetzt die Ausstellungen
der Secessionen, allerhand graphische Kabinette,
Kinotheater, feinere Kunst- und Buchläden, und
manche andere Kunstgelegenheiten mehr. Hier
ist auch die Heimat der künstlerisch angehauch-
ten Kaffees. Sie mußten hier entstehen, wenn
die Vergnügungsindustrie versuchen wollte, die
Ansammlung genußbereiter Modewelt in ihrem
Sinne auszubeuten, und die Künstler mußte es
locken, die seltsame Stimmung des Ortes in
gleichgestimmten Räumen einzufangen, zu stei-
gern, in Farben und Formen auszudeuten. Diese
 
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