Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

DOI Artikel:
Neisser, Arthur: Im Kunstgewerbemuseum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0350

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BERLIN. Im Kunstgewerbemuseum ist eine
Ausstellung von etlichen hundert Aquarel-
len aus der Hausbibliothek des Kaisers zu sehen.
Selten hatten wir eine so vortreffliche Gelegen-
heit, die Entwicklung der Aquarelltechnik vom
Beginn des 19. bis weit in das 19. Jahrhundert
hinein zu studieren. In den Aquarellen C arl
Gräbs, des bevorzugten Hofmalers des König
Friedrich Wilhelms IV. (der ja diese ganze Samm-
lung begründet hat), sieht man die architek-
tonischen, skulpturellen und kunstgewerblichen
Einzelheiten des Berliner Schlosses in ihrer
ganzen Schönheit neu erstehen; F. W. Kloss,
H. Hintze und F. Marohn schildern die Innen-
räume der Berliner und Potsdamer Schlösser
und die blühende Umgebung ihrer romantisch
eingehegten Gärten mit dem Auge des Maler-
poeten. Die Kirchenarchitekluren des mittel-
alterlichen Rheinlands werden in Adolf Wege-
lins Aquarellen lebendig; ganz besonders liebe-
voll ruht das Auge auf den Altmünchner Moti-
ven A. Dolls, während Franz Xaver Nacht-
mann den hellen Biedermeierglanz des Nym-
phenburger Schloßmobiliars mit einer Leucht-
kraft wiederzugeben versteht, die selbst ein
Spezialforscher des Aquarells nicht ohne wei-
teres diesen Wasserfarben zugetraut hätte.
Ganz besonders reich ist die Burgenromantik
vertreten: Caspar Johann Scheuren (ge-
boren 1812) bevölkert die Burg Stolzenfels am
Rhein mit den Rittern und Ritterfräulein der

Sage: ein Singen und Weben in Liedern und
Sagen umraunt uns beim Beschauen dieser köst-
lichen wie mit einer feinsten Feder geritzten
Blätter. Auch der deutsche Osten wird uns durch
die Meisteraquarelle der Joh. Carl Schultz
und A. Behrendsen lieb und vertraut. Ganz
vollständig tritt uns das Lebenswerk des im
Auftrage seines Königs durch ganz Europa ge-
reisten Eduard Hildebrandt entgegen. Der
unübertroffene Meister der Meister aber ist und
bleibt der Altwiener Aquarellist Rudolf von
Alt mit seinen kleinen Wienansichten. Wir
Deutschen haben diesem Wiener aus neuer Zeit
freilich einen Adolf Menzel an die Seite zu
stellen, der, zumal in seiner Frühzeit, mit
Sepia, Tusche und Aquarell sehr gern hantierte:
ein „König in Thüle" aus frühester Zeit, ein
„kurfürstlicher Läufer" und eine „Dame am
Spinett" sind Proben dieses Sondergebietes un-
seres Menzel. Daß die Hofmaler der Könige
Friedrich Wilhelm III. und IV. auch in ihren
Auslandaquarellen die höchste Sorgfalt ent-
falteten, zeigt uns gleichfalls diese Ausstellung
und verleiht ihr grade heutzutage einen ganz
eigenen Reiz. Der deutsche Künstler sieht, das
lehrt uns diese einzigartige Ausstellung aufs
neue, Natur und Kunst allüberall mit der liebe-
vollen Andacht seines naiv gläubigen Auges,
gleichsam seines Augengemütes; grade darin
verrät sich seine immer wache Sehnsucht nach
der Heimat am allerrührendsten. arthur neisser.

ILi

ludwig heinrich jungnickel —wien. »teil aus einem tierfries«

332
 
Annotationen