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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Hausenstein, Wilhelm: Vom Künstler und von der Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0395

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VOM KÜNSTLER UND VON DER FORM.

Es ist tausend und ein Mal gesagt, daß Form
der Inbegriff der Kunst sei. Aber es ist
wahrscheinlich, daß der Sinn dieses Satzes
weder nach seinem Umfang noch nach dem
vollen Maß seiner inneren Bedeutung so all-
gemein und so entschieden begriffen wird, wie
es nötig wäre, wo eine formale Kultur Wege
in die Menschheit sucht.

Es besteht die Vorstellung, Form sei plasti-
sche Rundung, plastische Vertiefung, sei — im
weitesten Sinn genommen — Farbe, Tonalität,
sei Ausdruck durch den auf der Leinwand ge-
stikulierenden Pinsel. Dies alles ist richtig ge-
dacht. Allein auf diese Weise sind eigentlich
nur die letzten Verwirklichungen des künst-
lerischenVerlangensnachderFormalitätderWelt
und der Wiedergabe wahrgenommen, nicht die
Voraussetzungen, die entscheiden. Letzten
Endes entscheiden immer die Voraussetzungen.
— So ist Kunst, in ihrem Ursprung und damit

in ihrer grundlegenden Wesentlichkeit erkannt,
nicht eine Frage der künstlerischen Handhabung
künstlerischer Mittel. Es ist auch nicht genug,
zu versichern, sie sei ein Erzeugnis künstleri-
scher Anschauung; denn diese Behauptung —
so richtig sie natürlich ist — enthält leicht allzu
wenig Genaues und allzu wenig Verpflichten-
des. Will man wissen, wieso es die Kunst
wirklich auf die reine Formalität der Welt und
des Erlebens abgesehen hat, so muß man noch
weitergehen. Dort nämlich fängt die Kunst an,
dort wird über ihr Sein oder ihr Nichtsein das
Schicksal verhängt, wo gefragt wird, ob ein
Mensch imstande ist, Dinge und Empfindungen
sich lediglich als Flora und Fauna entwickeln
zu lassen. Wer da sieht, wie alle Dinge und
Gefühle eine pflanzenhafte Selbstverständlich-
keit und eine unbekümmerte animalische Rund-
heit annehmen, wer überhaupt nichts erlebt als
die Gebärde, die Räumlichkeit, die Buntheit

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