Kunstpatriotismus.
PROFESSOR JOSEF HOFFMANN—WIEN.
»SPEISEZIMMER IN EINER WIENER WOHNUNG«
DUNKL. NUSSHOLZ, TEPPICH BRAUN-SCHWARZ.
sieurs du Faubourg Saint-Antoine, ces sages
fabricants persisteraient dans des copies imbe-
ciles d'un passe dont ils ne peuvent plus eprouver
l'emotion, et nos decorateurs, nos meubliers
originaux continueraient, si j'ose ainsi dire, ä
mourir de faim." Aber jetzt! Jetzt sind diese ge-
schmähten „Verfertiger schwachköpfiger Nach-
ahmungen" die Retter der französischen Über-
lieferung. Sie sind die Verteidiger Frankreichs
gegen den Einbruch der Barbaren. Diese ab-
lehnende Bezeichnung für deutsche Tüchtigkeit,
Zucht und Wesentlichkeit ist ja nicht erst von
diesem Kriege aufgebracht worden. Aber man
wußte sie bis zum Jahre 1914 doch manchmal
in einem weniger gehässigen Sinne anzuwenden.
Ein Brüsseler Kunstblatt ließ sich 1913 durch
die Feder eines Pariser Kunstschriftstellers also
vernehmen: „Dieübertriebenen„Persanismen",
„Russismen" und „Munichoiserien" werden
vorübergehen, aber diese Wogen werden durch
Anregungen oder Gegensätze glückliche Spuren
hinterlassen und wir werden zeigen, wie man
sie nutzbringend verwerten' kann. Wenn wir
heute im Kunstgewerbe nicht über künstlerische
Kräfte verfügen, holen wir uns doch unsere
Anregungen von denen jenseits der Grenze;
wenn wir aber neue nationale Kraftquellen be-
sitzen, was haben wir von den Fremden zu
fürchten? Die Barbaren haben den Geist Roms
nicht zerstört, vielleicht haben sie ihn sogar
vor der Fäulnis gerettet! Lassen wir doch alle
die armseligen Gemüter, denen das schönste
Reich unter den Himmeln nicht offen ist, sich
furchtsam am Fuß der chinesischen Mauer nie-
derkauern, und segnen wir die Bresche, die
man immer wieder in sie legt und die uns frische
Luft zuführt". Also man war sich bewußt, daß
die „Barbaren" Frische und Kraft mit sich
brachten, daß sie, was ihnen an Abgeschliffen-
heit nach französischer Meinung fehlen mochte,
durch kernige Ungebrochenheit des schaffenden
Geistes ersetzten. Aber solche Aussprüche
stammen aus einer Zeit, da der französische
Geist noch stolz auf seine kulturelle Internatio-
nalität war; aus einer Zeit, in der das Wort
„Kunst-Patriotismus" als Schimpfwort galt; aus
einer Zeit, da man in Paris Sätze schreiben
durfte, wie die folgenden: „Muß man es denn
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PROFESSOR JOSEF HOFFMANN—WIEN.
»SPEISEZIMMER IN EINER WIENER WOHNUNG«
DUNKL. NUSSHOLZ, TEPPICH BRAUN-SCHWARZ.
sieurs du Faubourg Saint-Antoine, ces sages
fabricants persisteraient dans des copies imbe-
ciles d'un passe dont ils ne peuvent plus eprouver
l'emotion, et nos decorateurs, nos meubliers
originaux continueraient, si j'ose ainsi dire, ä
mourir de faim." Aber jetzt! Jetzt sind diese ge-
schmähten „Verfertiger schwachköpfiger Nach-
ahmungen" die Retter der französischen Über-
lieferung. Sie sind die Verteidiger Frankreichs
gegen den Einbruch der Barbaren. Diese ab-
lehnende Bezeichnung für deutsche Tüchtigkeit,
Zucht und Wesentlichkeit ist ja nicht erst von
diesem Kriege aufgebracht worden. Aber man
wußte sie bis zum Jahre 1914 doch manchmal
in einem weniger gehässigen Sinne anzuwenden.
Ein Brüsseler Kunstblatt ließ sich 1913 durch
die Feder eines Pariser Kunstschriftstellers also
vernehmen: „Dieübertriebenen„Persanismen",
„Russismen" und „Munichoiserien" werden
vorübergehen, aber diese Wogen werden durch
Anregungen oder Gegensätze glückliche Spuren
hinterlassen und wir werden zeigen, wie man
sie nutzbringend verwerten' kann. Wenn wir
heute im Kunstgewerbe nicht über künstlerische
Kräfte verfügen, holen wir uns doch unsere
Anregungen von denen jenseits der Grenze;
wenn wir aber neue nationale Kraftquellen be-
sitzen, was haben wir von den Fremden zu
fürchten? Die Barbaren haben den Geist Roms
nicht zerstört, vielleicht haben sie ihn sogar
vor der Fäulnis gerettet! Lassen wir doch alle
die armseligen Gemüter, denen das schönste
Reich unter den Himmeln nicht offen ist, sich
furchtsam am Fuß der chinesischen Mauer nie-
derkauern, und segnen wir die Bresche, die
man immer wieder in sie legt und die uns frische
Luft zuführt". Also man war sich bewußt, daß
die „Barbaren" Frische und Kraft mit sich
brachten, daß sie, was ihnen an Abgeschliffen-
heit nach französischer Meinung fehlen mochte,
durch kernige Ungebrochenheit des schaffenden
Geistes ersetzten. Aber solche Aussprüche
stammen aus einer Zeit, da der französische
Geist noch stolz auf seine kulturelle Internatio-
nalität war; aus einer Zeit, in der das Wort
„Kunst-Patriotismus" als Schimpfwort galt; aus
einer Zeit, da man in Paris Sätze schreiben
durfte, wie die folgenden: „Muß man es denn
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