Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

DOI Artikel:
A. R.-R.: Fritz Zeymers "Haus G." in Währing
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0485

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fritz Zeymers -»Haus G.« in Währing.

ARCHITEKT FRITZ ZEYMKR WIKS.

»MUSIK/IMMER IM HAUSE PROF. G.ü

beherrscht das ganze Haus außen und innen.
Das allein wäre nun nicht genug, es muß sich
der Gewißheit der Bedürfniserfüllung, das be-
stimmte Gefühl der nicht unbedingt notwen-
digen Gegenwart der Schönheit gesellen, die,
gleichviel ob sie durch das verwendete Mate-
rial, die Form oder Farbe bewirkt wird, das
Bedürfnis adelt.

An zwei aufs Geradewohl aus einer Menge
herausgegriffenen Beispielen möchte ich dartun,
wie ich das meine: es ist da im Hause G. neben
der Studierstube des Hausherrn eine Bücherei.
Ein Schatzbehälter in jedem Sinn, denn der
Raum birgt in tischlerisch meisterhaft gefügten
Schränken eine große Anzahl überaus wert-
voller altorientalischer Handschriften und sel-
tener Bücher. Die verglasten Bücherspinde
sind aus dunkelgrün poliertem Kirschholz ge-
macht, ebenso die hölzernen Teile der Stühle

und des großen Lesetisches. Die Sitzflächen
und Rücklehnen der Stühle und die Platte des
Tisches sind mit grauem Sämischleder bezogen.
Die Decke schimmert glatt weiß. Zwischen ihr
und dem oberen Sims der Schränke zieht rings-
um an der Wand ein breiter buntfarbener Fries
mit flimmerndem Goldgeranke, auf dem sich
phantastische Vögel schaukeln, stilisierte Ge-
schöpfe, wie aus einer altpersischen Märchen-
handschrift herausgeschlüpft. Sie sind unwirk-
liche Geschöpfe aus einer möglichen Wirklich-
keit, und so starr wie sie sich tagsüber auch ver-
halten, während der stillen Stunden, in denen
das Licht der Ampel an der weißen Decke zer-
stäubt und silberig den farbenbunten Ranken-
fries überrieselt, mögen sie ins Zwitschern und
Flöten kommen und in ein rhythmisches Tril-
lern, Gurren und Munkeln, und sich in die
Phantasien des stillen Lesers hineinleben, der

XIX. März 1916. 6
 
Annotationen