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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Uhde, Wilhelm: Henri Rousseau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0037

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Henri Rousseau.

aus dem zeitlich fernen Reiche des Velasquez,
aus dem Jahrhunderte langen Gepflegtsein der
Rasse; das Grau Corots kommt von dem un-
wandelbaren ewigen Himmel der Ile de France
und den großen Traditionen der französischen
Malerei. Aber die Empfindung, die Rousseaus
Schwarz gestaltete, ist köstlicher mit der Welt
verknüpft. Denn wir finden sie in dem seelischen
Paradies des heiligen Franz von Assisi, das über
die Erde sich breitet und keine Grenzen hat.
Und so wenig man, wenn man seinen Namen
spricht, in erster Linie daran denkt, daß er
Italiener ist, so bei Rousseau, daß er Franzose
ist. Wohl drückt sich sein großes Gefühl in
dem seinem Volke gegebenen Mittel, der Ma-
lerei , aus, aber es geschieht, daß sein Talent
dort versagt, wo das seiner Rasse sich mit dem
großen Geschmack der Modehäuser der Place
Vendöme verschwistert und, daß sein Genie in
einem Reiche zu Hause ist, das dem der Rasse
im allgemeinen verschlossen bleibt. Sein feier-
liches Schwarz, sein strenges Grün sind nicht
im Sinne einer malerischen Kultur schön, son-
dern im Sinne des Menschlichen groß. Das
Wesentliche ist hier nicht der Klang, sondern
die Gesinnung. Die Qualität, die in ihm sich
offenbart, geht über die spezifische der fran-

zösischen Malerei hinaus und hebt ihn aus den
Reihen der großen Künstler seines Landes in die
Reihen derer, welche der Menschheit gehören.

Was in den Bildern eines Bonnard und Vuil-
lard schön und wertvoll ist, liegt nicht in den
Möglichkeiten Henri Rousseaus. Aber es gibt
Skizzen von ihm, die von der Hand Corots und
Monets sein könnten, kultivierte malerische
Flächen in Grün und Grau. Von ihnen sind
seine Bilder sehr verschieden. Die Art wie in
diesen Form und Farbe unter dem Zwange einer
wesentlichen Gesinnung einfach und bedeutend
werden, verrät das Wirken desselben gotischen
Geistes, dem die blaß und ernst aufwachsenden
Pierrots Picassos und das im Räume hochstre-
bende Spiel kubistischer Bilder zeigen.

Dieses ist Henri Rousseaus künstlerische Tat:
nachdem die auflösende Tendenz der Impressio-
nisten durch die malerische Synthese eines Seu-
rat und Cezanne überwunden war, stellte er
die Kunst auf den Boden menschlicher Liebe
und franziskanischer Gesinnung, zwang durch
Askese und kindlichen Frohsinn, durch Ab-
straktion und Beseelung Form und Farbe zu
herber Einfachheit und großer Intensität des
Ausdrucks. Der Stilwille, der das Werk Rous-
seaus also formte, bestimmt mit großer Sicher-
 
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