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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Schumacher, F.: Vom Umsturz in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0075

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VOM UMSTURZ IN DER KUNST. In Wahr-
heit ist das, was wir als Umsturz in der
Kunst empfinden, nur eine Richtungsänderung
in der Pendelbewegung, die unablässig zwischen
dem Geistig-Abstrakten und dem Sinnlich-Orga-
nischen sich hin und her bewegt. Für die Be-
urteilung der Architektur ist dabei von Bedeu-
tung, daß bei ihr der Pendelausschlag geringer
sein kann als bei den freien Künsten, — weil
hier die beiden Kräfte sich am unlöslichsten
mischen, ja er darf nur geringer sein: die Archi-
tektur muß die besonnenste unter den Künsten
bleiben, da sie in ihren Werken nicht nur sich
selber, sondern auch einem Slück Natur ver-
antwortlich ist.

Aber ob weit oder weniger weit, die Rich-
tung, nach welcher der Pendel schwingt, ist in
der ganzen Kunst der gleiche, welche Mittel
auch immer der einzelnen unter ihren Provinzen
zu ihrem Ausdruck gegeben sind, und es ist
ein seltsames, aber wichtiges Grundgesetz der
Kunst, daß nur der in seinem Schaffen sich voll
auszuleben vermag, der im Rhythmus dieser
Bewegung mitschwingt. Wohl kann er das
Tempo der Bewegung beschleunigend vorwärts
treiben, wenn er selbst überraschende Kraft be-
sitzt, nie aber kann er sie hemmen mittels dieser

eigenen Kraft. Versucht er es im törichten Wahn,
so wird er nur selber zurückbleiben und all-
mählich ersticken, weil der Strom belebender
Luft mechanisch weitergerissen wird im Sinne
der Bewegung des Pendels der Zeit.

Soll solche Erkenntnis vielleicht ein Rezept
sein für ein Jugendelixier des schaffenden Künst-
lers? Es wäre wohl überflüssig, diesen törich-
ten Gedanken überhaupt anklingen zu lassen,
wenn wir nicht in der Praxis des Lebens aller-
orten Menschen sehen könnten, die so handeln,
als ob sie das glaubten. Nein, wenn man aus
dieser Erkenntnis überhaupt eine praktische
Schlußfolgerung ziehen will, dann wendet sie
sich nicht an den Künstler, sondern an den be-
trachtenden Kunstfreund. Der schaffende Künst-
ler kann die Schwungkraft, die von Natur aus
in ihm steckt, nicht durch kluge Erwägungen
verstärken, sie ist ein Gottesgeschenk, das er
wohl klug oder unklug verwalten, aber nicht
künstlich züchten kann. Der Betrachtende aber,
dessen Kunst darin besteht, sich einzustellen
auf Richtung und Tempo der Bewegungserschei-
nungen, denen er sein Interesse leiht, kann durch
die Erkenntnis der Zusammenhänge, in der
Fähigkeit gefördert werden, die Einstellung rich-
tig vorzunehmen, f. Schumacher »Kulturpolitik«

RICHARD LANGER. »PORZELLAN-PLASTIK«
 
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