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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Jaumann, Anton: Töne im Raum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0173

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Töne im Raum.

WIENER
WERKSTÄTTE.
DAG. PECHE.
»VASE IN
MESSING«

frischer, als in der Sofaecke, im Kahn, oder
nach dem Wandertag unter der Dorflinde ? Sie
sollen stets wie Improvisationen sein, die aus
der Stimmung der Stunde, aus der Gunst des
Ortes entspringen. Was hat die Laute im Kon-
zertsaal zu suchen? Wer aber fühlt solchen
Widerspruch noch? Altäre verschleppt ihr ins
Museum, der Schmetterling wird auf Nadeln
gespießt, ihr werdet noch Gebet, Liebesgeflüster,
Todesstöhnen gegen Entree vorführen. Lernt
endlich, wie Situation und Raum in jede Kunst,
jede Seelenäußerung als wesentliche, unlösliche
Komponenten eingehen! Auch absolute Plastik
gibt es nicht. Stets teilt der Stein einen Raum,
tritt in Wechselrede mit andern Dingen, mit
Formen und Flächen, steigert Bewegung oder

sammelt Ruhe. Ich frage nicht, ob Töne auch
raumlos denkbar sind. Die Physik erklärt sie
als raumzeitliche Schwingungen der Luft. Aber
das wäre nicht entscheidend. Denn der Ton
ist im eigentlichen Sinne eine psychische Er-
scheinung; nicht einmal die Vorgänge im Ohr
sind „Töne". Sie helfen nur Ton, Musik in
unserm Bewußtsein erzeugen. Aber auch die
rein seelischen Tongebilde, sie haben alle einen
Ort, von dem sie herzukommen scheinen, einen
Raum, in dem sie klingen, sie haben Bewegung
und Ziel. „Leise zieht durch mein Gemüt",
oder es überfällt mich, umtost mich.

Die Melodie ist eine andere, ob sie in der
Kaminecke gesummt oder von den Stuck-
wänden eines Saales zurückgeschleudert wird.
 
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