Aus den Verkauf stellen der Deutschen Werkstätten.
Kirchenausschmückung, endlich selbst all des
kleinen, so unendlich wertvollen Bei- und
Schmuckwerkes vom Tafelsilber bis zur Blumen-
vase und Aschenschale, nun seines Zeichens
einer Baumeistergilde oder einer Malerzunft
angehört. Denn der Kernpunkt liegt in nichts
anderm als der Gesinnung des Entwerfenden,
in seiner Gabe und Fähigkeit, werkmäßig Er-
lebtes zur Gestalt zu bringen.
Letzten Endes ist die Rangfrage zwischen
Architektur und Malerei, zwischen Erbauer und
Bildner, ein Ausfluß grundsätzlich verschieden
gearteter Lebensanschauungen. Wenn aus
Geschichtlichem Gesetzmäßiges zu schließen
erlaubt und uns von heute zu hoffen gestattet
ist, so wäre ja zweifellos in dem gemeinsamen
Abrücken von dem Diktat des Malergemäßen
und der Verbindung der Werkkunst mit dem
Bereich tektonischen Formempfindens eine auf-
steigende Linie gegeben. EinFortführungsprozeß
alter Kunstauffassung im Sinne des Echten, des
Wahren, des Werthaften, der — durch die kon-
tinentale Malerbewegung durchbrochen — be-
ruhigter seit Jahrhunderten im angelsächsischen
Formgefühl einzelner Zentren Englands und
Amerikas sich wach erhielt und in Deutschland
seit der Schwelle des 20. Jahrhunderts — ich
denkeanFührerwie Richard Riemerschmid,
Bruno Paul, Ehmcke u. a. — eine erneute
Ausdeutung und Auswertung erfuhr.
Über das höhere Recht der „Material"- oder
„Form"-Stile zu streiten ist müßig. Denn — so
bekannt solches klingt, ebenso oft wird es über-
hört im Kunstgewerblichen — nicht das Material
vermag das Kunstwerk allein zu schaffen, ja
vermag es auch nur zu heben, sondern ledig-
lich die Zusammenkunft von Materialempfinden
und künstlerischem Gefühl. Das Prunken mit
Materialköstlichkeiten allein ist keinen Grad
wertvoller und künstlerisch höher stehend wie
der romantische Scheinprunk eines Surrogates.
Nur da, wo das Material sichtlich und empfind-
bar inspiratorische Kräfte wach werden läßt
aus derlnvention heraus, wird gesättigte Pracht
— man denke an die Raffinements der Roko-
kos — als ein tatsächlicher künstlerischer Voll-
klang empfunden werden.
So gut wie die Macht des Materials Ursache
werden kann, das Künstlerische eines Möbels,
eines Schmuckgerätes, eines Ziergegenstandes
zu vergewaltigen im Sinne des Prunkhaften, des
Schreienden und damit der Taktlosen, ebenso-
gut kann solche Macht dem Erfinder eine zu
gestrenge Bindung werden in der Richtung des
gesucht Einfachen und damit Unglaubhaften.
Der Werkkünstler ist einmal nicht frei, wie der
Maler und Bildner, sein Tun bleibt gleich dem
des Baumeisters immer verkettet dem Um-
ständlichen mit seiner ganzen Körpergewalt.
Die zwingende, dämpfende Note des Material-
gemäßen scheint mir auch heute noch — im
Überblicken der Geräte, die diesen Text um-
schließen — eine Bindung, die in solcher Strenge
auf die Dauer nur Wenigen als künstlerische
Kraft beschieden sein kann! Die Scheu vor
dem Ornament hat zwar ihr gutes Recht —
denn die Schmuckform ist der stärkste und
eigenwilligste Gradmesser künstlerischer Wahr-
heit, der unerbittlichste Zeiger persönlicher Kraft
oder Unkraft über die Vergänglichkeiten des
momentan Gefallenden, des Modischen hinweg.
Daß der Gegenwart der Werkkunst die
Körperform in jeder Herrschaft gehört, ist not-
wendig gut. Sie ist das Eigene; die Trägerin
des künstlerischen Fühlens. Aber — die Ge-
fahr einer neuerlichen Steigerung in ein Monu-
mentales, das geeignet sein könnte, die Werk-
kunst wiederum loszutrennen von dem Sinn des
Lebens, wie solches geschah zur Zeit der Ro-
mantiker, scheint nicht so ganz grundlos. Es
wäre nicht zu übersehen, daß das notwendig
Echte und Wertvolle der Zweckgesinnung nicht
zu einem Pathos werden darf. Die „maitres
d'autrefois" — es gibt keinen anderen Grad-
messer praktischer Ästhetik als das Empirische
— besassen zu jederzeit innerhalb der Welt
ihrer Schmuckformen (in dem Bereich des
Ornamentalen also) eine sichere Burg, die sie
vor den Gefahren einer zu weit gehenden Ver-
geistigung des Werkgedankens beschützte. Das
scheint beachtenswert. Das Schmuckhafte kann
nur dem pointierenden Theoretiker als Uner-
laubtheit „primitiver Spieltriebe" erscheinen,
es rechtfertigt sich aus dem Vielfachen der Not-
wendigkeiten des Lebens nicht minder wie die
Melodie in der Musik. Wird zumHassenswerten
absteigender Linien im Augenblick übersättigter
Unwahrhaftigkeiten, in Stufen der Scheinkünste
stilretrospektiver Art, aber nicht — darin liegt
der Irrtum — um seines Wesenswillen, sondern
infolge einer falschen, unechten Beziehung zwi-
schen Erfinder und Form. Es wäre lächerlich,
einem echten Künstler von heute das Denken
in Rocailleformen (um ein Beispiel zu gebrau-
chen) zuzumuten, es ist aber keineswegs zu
unterschätzen, daß auch der Künstler von heute
— und mehr noch der der Zukunft — wieder
in Schmuckformen zu denken sich erziehe.
Letzteres gerade im Hinblick auf die Zeit-
umstände. Tat vielleicht noch die Zeit vor 1910
etwas zu viel in der Wähligkeit mit dem Mate-
rial, so sind wir gezwungen, dessen zu wenig
zu tun. Edelholz, Bronze und Elfenbein vermag
aus dem Stofflichen allein zur Wirkung voller
208
Kirchenausschmückung, endlich selbst all des
kleinen, so unendlich wertvollen Bei- und
Schmuckwerkes vom Tafelsilber bis zur Blumen-
vase und Aschenschale, nun seines Zeichens
einer Baumeistergilde oder einer Malerzunft
angehört. Denn der Kernpunkt liegt in nichts
anderm als der Gesinnung des Entwerfenden,
in seiner Gabe und Fähigkeit, werkmäßig Er-
lebtes zur Gestalt zu bringen.
Letzten Endes ist die Rangfrage zwischen
Architektur und Malerei, zwischen Erbauer und
Bildner, ein Ausfluß grundsätzlich verschieden
gearteter Lebensanschauungen. Wenn aus
Geschichtlichem Gesetzmäßiges zu schließen
erlaubt und uns von heute zu hoffen gestattet
ist, so wäre ja zweifellos in dem gemeinsamen
Abrücken von dem Diktat des Malergemäßen
und der Verbindung der Werkkunst mit dem
Bereich tektonischen Formempfindens eine auf-
steigende Linie gegeben. EinFortführungsprozeß
alter Kunstauffassung im Sinne des Echten, des
Wahren, des Werthaften, der — durch die kon-
tinentale Malerbewegung durchbrochen — be-
ruhigter seit Jahrhunderten im angelsächsischen
Formgefühl einzelner Zentren Englands und
Amerikas sich wach erhielt und in Deutschland
seit der Schwelle des 20. Jahrhunderts — ich
denkeanFührerwie Richard Riemerschmid,
Bruno Paul, Ehmcke u. a. — eine erneute
Ausdeutung und Auswertung erfuhr.
Über das höhere Recht der „Material"- oder
„Form"-Stile zu streiten ist müßig. Denn — so
bekannt solches klingt, ebenso oft wird es über-
hört im Kunstgewerblichen — nicht das Material
vermag das Kunstwerk allein zu schaffen, ja
vermag es auch nur zu heben, sondern ledig-
lich die Zusammenkunft von Materialempfinden
und künstlerischem Gefühl. Das Prunken mit
Materialköstlichkeiten allein ist keinen Grad
wertvoller und künstlerisch höher stehend wie
der romantische Scheinprunk eines Surrogates.
Nur da, wo das Material sichtlich und empfind-
bar inspiratorische Kräfte wach werden läßt
aus derlnvention heraus, wird gesättigte Pracht
— man denke an die Raffinements der Roko-
kos — als ein tatsächlicher künstlerischer Voll-
klang empfunden werden.
So gut wie die Macht des Materials Ursache
werden kann, das Künstlerische eines Möbels,
eines Schmuckgerätes, eines Ziergegenstandes
zu vergewaltigen im Sinne des Prunkhaften, des
Schreienden und damit der Taktlosen, ebenso-
gut kann solche Macht dem Erfinder eine zu
gestrenge Bindung werden in der Richtung des
gesucht Einfachen und damit Unglaubhaften.
Der Werkkünstler ist einmal nicht frei, wie der
Maler und Bildner, sein Tun bleibt gleich dem
des Baumeisters immer verkettet dem Um-
ständlichen mit seiner ganzen Körpergewalt.
Die zwingende, dämpfende Note des Material-
gemäßen scheint mir auch heute noch — im
Überblicken der Geräte, die diesen Text um-
schließen — eine Bindung, die in solcher Strenge
auf die Dauer nur Wenigen als künstlerische
Kraft beschieden sein kann! Die Scheu vor
dem Ornament hat zwar ihr gutes Recht —
denn die Schmuckform ist der stärkste und
eigenwilligste Gradmesser künstlerischer Wahr-
heit, der unerbittlichste Zeiger persönlicher Kraft
oder Unkraft über die Vergänglichkeiten des
momentan Gefallenden, des Modischen hinweg.
Daß der Gegenwart der Werkkunst die
Körperform in jeder Herrschaft gehört, ist not-
wendig gut. Sie ist das Eigene; die Trägerin
des künstlerischen Fühlens. Aber — die Ge-
fahr einer neuerlichen Steigerung in ein Monu-
mentales, das geeignet sein könnte, die Werk-
kunst wiederum loszutrennen von dem Sinn des
Lebens, wie solches geschah zur Zeit der Ro-
mantiker, scheint nicht so ganz grundlos. Es
wäre nicht zu übersehen, daß das notwendig
Echte und Wertvolle der Zweckgesinnung nicht
zu einem Pathos werden darf. Die „maitres
d'autrefois" — es gibt keinen anderen Grad-
messer praktischer Ästhetik als das Empirische
— besassen zu jederzeit innerhalb der Welt
ihrer Schmuckformen (in dem Bereich des
Ornamentalen also) eine sichere Burg, die sie
vor den Gefahren einer zu weit gehenden Ver-
geistigung des Werkgedankens beschützte. Das
scheint beachtenswert. Das Schmuckhafte kann
nur dem pointierenden Theoretiker als Uner-
laubtheit „primitiver Spieltriebe" erscheinen,
es rechtfertigt sich aus dem Vielfachen der Not-
wendigkeiten des Lebens nicht minder wie die
Melodie in der Musik. Wird zumHassenswerten
absteigender Linien im Augenblick übersättigter
Unwahrhaftigkeiten, in Stufen der Scheinkünste
stilretrospektiver Art, aber nicht — darin liegt
der Irrtum — um seines Wesenswillen, sondern
infolge einer falschen, unechten Beziehung zwi-
schen Erfinder und Form. Es wäre lächerlich,
einem echten Künstler von heute das Denken
in Rocailleformen (um ein Beispiel zu gebrau-
chen) zuzumuten, es ist aber keineswegs zu
unterschätzen, daß auch der Künstler von heute
— und mehr noch der der Zukunft — wieder
in Schmuckformen zu denken sich erziehe.
Letzteres gerade im Hinblick auf die Zeit-
umstände. Tat vielleicht noch die Zeit vor 1910
etwas zu viel in der Wähligkeit mit dem Mate-
rial, so sind wir gezwungen, dessen zu wenig
zu tun. Edelholz, Bronze und Elfenbein vermag
aus dem Stofflichen allein zur Wirkung voller
208