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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Weisse, Franz: Werkkunst im Bucheinband
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0238

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WERKKUNST IM BUCHEINBAND.

VON FRANZ WEISSE-HAMBURG.

Das Beharrungsvermögen in handwerklich-
traditioneller Betätigung zeitigt eine recht
langsame Vorwärtsentwicklung. Uralte Tech-
niken haben sich bis auf den heutigen Tag in
ganz gleicher Weise erhalten; einige mit dem
Unterschied, daß sie in weit exakterer Durch-
führung uns vor Augen geführt werden. In nicht
geringem Maße trägt unser Zeitgeist das von
der Maschinenpräzision ausgehende Exaktheits-
gefühl in das Handwerk hinein. Aber das
maschinenlose, seelenvollere vergangene Zeit-
alter ist für die Strebenden immer noch die
Fundstätte schönster Anregungen: sei es die
Technik, die Form, das Ornament oder dieFarbe.
Selbst der rascher schreitende Geist des Kunst-
schaffenden, der jene Quellen abzulehnen be-
müht ist, kommt, ohne die bewußte Empfindung,
doch nicht aus jenen Bahnen langsamer, stetiger
Entwicklung heraus! Dem Fluge in allerneueste
künstlerische Region sind durch das unlösliche
Denkbeharrungsvermögen der Menschen Gren-
zen gesetzt. Der ewige Kreislauf wird hier Ge-
setz und — alles ist schon dagewesen, und
unser Ergötzen ist die Variante. So ist unser
heutiges Handwerk, ausgeübt und gepflegt in
dem alten Zeitgeist, wieder echtes Kunsthand-
werk. Das mit voller Berechtigung! Jede
Sammlung handwerklicher Art spricht vom
Kunsthandwerk oder von Volkskunst. —

Der Bucheinband war von Anbeginn seines
Bestehens ein Kunsthandwerk. Er kommt aus
der Mönchszelle. Die Schmückungsweisen
standen in engster Verbindung mit der Gold-
schmiede- und Elfenbeinschnitzkunst. Das Buch
war eine Seltenheit im menschlichen Leben.
Nur die Geistesaristokratie bediente sich des-
selben, zu ritualen Zwecken im besonderen.
Solche Bücher mußten die kostbarste Ausstat-
tung haben. Mit der Bücherentwicklung verließ
der Prunk mehr und mehr das Buch. Jedoch
die Anlehnung an die ersten Kunstwerke blieb
bestehen. Die Bücher erhielten ein Leder- oder
Sammtkleid. Das Leder erhielt starken Gold-
zierat; allerdings wurde im Gegensatz zum
Goldbeschlag das Gold mit Stempelformen, die
Blätter, Blüten darstellten, eingedruckt. Be-
sonders diese Technik hat sich bis in unsere
Tage hinein unverändert erhalten. Sie ist die
Edelste und kann von der Maschine in der An-
wendung auf dem Handbucheinband nicht ver-
drängt werden!

Im Reiche der Bücherfreunde und Kunst-
sammler führt der Kunstband ein scheinbares
Dämmerdasein. Geheimnisvoll werden Schränke
geöffnet, Schubkästen aufgezogen, im Bewußt-
sein köstlichsten Besitzes. Mit Liebe führt der
Kenner seine gepflegte, feine, gefühlvolle Hand
über die schön gefärbten, prächtig genarbten
 
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