Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

DOI Artikel:
Zimmermann, Hermann K.: Das Denkmal der Opfer in Frankfurt a. M.: von Bildhauer Benno Elkan
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0247

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BILDHAUER BENNO ELKAN

»DAS DENKMAL DER OPFER«

DAS DENKMAL DER OPFER IN FRANKFURT A.M.

VON BILDHAUER BENNO ELKAN.

In entscheidender Stunde der Kunst, zwischen
Zweifeln an dem endgültigen Wert alles heute
Errungenen und Ratlosigkeit vor dem noch
vagen Anbruch eines Neuen, wird unerwartet
und plötzlich ein Werk vor uns gestellt, das,
als künstlerische Schöpfung irgendwie über der
Gegenwart und fern von ihren Erregungen und
Kämpfen, über dem Persönlichen und jenseits
vom Ringen und Suchen Einzelner, dennoch mit
der unerhörten Gewalt seines Ausdrucks die
Seele der Zeit und jedes Mitlebenden im Tief-
sten trifft und erschüttert. In Frankfurt a. M.,
mitten im Verkehrsleben der Stadt, nur ein
wenig abseits unter dem hohen Gewölbe alter
Bäume und umgrenzt vom Oval eines schmalen
architektonischen Randes, ist ein Denkmal auf-
gestellt worden, ein Werk des in Frankfurt
lebenden Bildhauers Benno Elkan, von der
Stadt und von Kunstfreunden errichtet, das „ Den
Opfern" des Krieges, allen Opfern, im weitesten
Sinne, geweiht ist. Auf dem abgestuften Würfel
eines Sockels aus hellem gestocktem Granit
erhebt sich, ein schwerer, dunkel glänzender
Block, die Gestalt eines Weibes, — zu Boden
gebeugt in wortloser Klage: Verkörperung des
großen Leidens und unserer großen Trauer. Die
zusammengedrängten Glieder des mächtigen
Körpers scheinen von einem Viereck straffer
Umrißlinien umspannt, die sich erst bei plasti-
scher Betrachtung leise auflösen und wieder zu

neuen Flächen verbinden. Scheinen nur; denn
nichts von bewußten Absichten ist in dieser
Gestalt, die, wie in unerhörtem Aufruhr des
Gefühls niedergeworfen — irgendwohin, irgend-
wie —, in dieser wilden Zerbrochenheit ver-
harrt, in dieser Verwirrtheit und Zerrissenheit,
die dennoch, auch in der Erstarrung für immer,
nicht das edle Maß und die tiefe Ruhe des
Natürlichen überschreiten. Freilich, die vor-
ahnende Vision (das Werk ist 1913—14 ent-
standen) des ungeheuren Leides und der Trauer
um die Selbstzerstörung der Menschheit ver-
langte ihre bildliche Gestaltung nicht nur in der
übergroßen und monumentalen Form, sondern
auch in diesem unveränderbaren Material, einem
norwegischen Granit, dessen stählerne Härte
von selbst jede Kleinlichkeit in der Behandlung
verbieten würde, und der, übrigens, infolge der
Schließung aller Poren durch die Politur, jeder
zeitlichen Zerstörung entzogen ist.

Als ein glückliches Schicksal muß es erschei-
nen, daß dieses Werk heute und hier den Platz
seiner inneren Beslimmung gefunden hat. Denn
die deutsche Denkmalkunst der letzten Jahr-
zehnte hat kaum eine ähnliche Frucht tragen
dürfen. Zwiespältig schwankte sie zwischen
flachem Akademizismus, der die großen Inhalte
der Zeit mit leeren Allegorien illustrierte, —
und einem sehr geschmackvollen Eklektizismus,
der formal unangreifbar und von strenger oder

230
 
Annotationen