OTTO TH.
W. STEIN.
» DAMEN-
BILDNIS «
OTTO TH. W. STEIN.
TON THEODOR DÄUBLER.
Die modernsten Künstler entstreben heute
noch immer dem Gegenständlichen: das
rein Tipische und unerwartete Problemstellungen
um das Formale beschäftigen sie. Wertvolle
Bilder und Bildwerke entstehen auf diese Weise,
aber die Seele kommt dabei schlecht weg. Ist
sie überhaupt, auf rein formalem Weg, ohne
den Gegenstand, ja ohne einen rhythmisierten
Vorgang unter Menschen in ganzer Fülle er-
bringbar? In der Landschaft, im Stilleben liegt
vielleicht schon ein halber Verzicht darauf!
Hans von Marees und Puvis de Chavan-
n e s waren wohl die letzten bedeutenden Künst-
ler, die tiefseelischen Ausdruck und eine neue
klassische Formsprache zugleich erreichen woll-
ten. Ihnen folgt auch gewissermaßen Otto Th.
W. Stein; wenigstens waren ihm beide Meister
lange Vorbild. Heute beschränkt er sich vor-
läufig mehr im Format, malt häufiger Porträte
als Kompositionen; und so treten die Einflüsse
dieser beiden Klassiker des vergangenen Jahr-
hunderts im Werk Otto Th. W. Steins von selbst
immer mehr zurück. Wenn wir seine letzten
Arbeiten betrachten, so fällt uns auch ein ein-
dringlicheres, entschiedeneres Eingehen auf ganz
modern gestellte Aufgaben auf: oft wälzen sich
seine Einstellungen zum Bild geradezu aus dem
Rahmen; was der Künstler schöpft, will Kristall,
genau in sich abgeschlossene Einzelheit werden!
Nur in der Farbe fühlen wir noch ferneher Puvis
de Chavannes' silbergrüne Wiesen, auf denen
silbergraue Gestalten oder schimmemd-rosa
Akte wandeln, in die vornehme Farbenskala
Steins leicht herüberschillern; aber auch da ist
er in den letzten Jahren viel perlmutternder
geworden! Es ist erstaunlich, wie fein es ihm
gelingen kann, einen matt gehaltenen Körper,
ein Kindergesicht blütenhaft aufsprühen zu
lassen: über manchen Frauenbusen perlt, unter
Steins Pinsel, leichter Tau, um seine Blumen-
stücke zerstiebt er. Bedachtsam wählt er die
Modelle, behutsam geht er beim Schaffen eines
Porträts zu Werk. Ihm liegt daran, sich immer
wieder zu beweisen, daß man mit der zartesten
Schattierung auch sehr frische Reize hervor-
zaubern kann. Steht das nicht im Widerspruch
XXIV. Februar 1921. 1
W. STEIN.
» DAMEN-
BILDNIS «
OTTO TH. W. STEIN.
TON THEODOR DÄUBLER.
Die modernsten Künstler entstreben heute
noch immer dem Gegenständlichen: das
rein Tipische und unerwartete Problemstellungen
um das Formale beschäftigen sie. Wertvolle
Bilder und Bildwerke entstehen auf diese Weise,
aber die Seele kommt dabei schlecht weg. Ist
sie überhaupt, auf rein formalem Weg, ohne
den Gegenstand, ja ohne einen rhythmisierten
Vorgang unter Menschen in ganzer Fülle er-
bringbar? In der Landschaft, im Stilleben liegt
vielleicht schon ein halber Verzicht darauf!
Hans von Marees und Puvis de Chavan-
n e s waren wohl die letzten bedeutenden Künst-
ler, die tiefseelischen Ausdruck und eine neue
klassische Formsprache zugleich erreichen woll-
ten. Ihnen folgt auch gewissermaßen Otto Th.
W. Stein; wenigstens waren ihm beide Meister
lange Vorbild. Heute beschränkt er sich vor-
läufig mehr im Format, malt häufiger Porträte
als Kompositionen; und so treten die Einflüsse
dieser beiden Klassiker des vergangenen Jahr-
hunderts im Werk Otto Th. W. Steins von selbst
immer mehr zurück. Wenn wir seine letzten
Arbeiten betrachten, so fällt uns auch ein ein-
dringlicheres, entschiedeneres Eingehen auf ganz
modern gestellte Aufgaben auf: oft wälzen sich
seine Einstellungen zum Bild geradezu aus dem
Rahmen; was der Künstler schöpft, will Kristall,
genau in sich abgeschlossene Einzelheit werden!
Nur in der Farbe fühlen wir noch ferneher Puvis
de Chavannes' silbergrüne Wiesen, auf denen
silbergraue Gestalten oder schimmemd-rosa
Akte wandeln, in die vornehme Farbenskala
Steins leicht herüberschillern; aber auch da ist
er in den letzten Jahren viel perlmutternder
geworden! Es ist erstaunlich, wie fein es ihm
gelingen kann, einen matt gehaltenen Körper,
ein Kindergesicht blütenhaft aufsprühen zu
lassen: über manchen Frauenbusen perlt, unter
Steins Pinsel, leichter Tau, um seine Blumen-
stücke zerstiebt er. Bedachtsam wählt er die
Modelle, behutsam geht er beim Schaffen eines
Porträts zu Werk. Ihm liegt daran, sich immer
wieder zu beweisen, daß man mit der zartesten
Schattierung auch sehr frische Reize hervor-
zaubern kann. Steht das nicht im Widerspruch
XXIV. Februar 1921. 1