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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Pfister, Kurt: Rudolf Grossmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0260

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RUDOLF GROSSMANN.

»NIEUPORT« BELGIEN.

RUDOLF GROSSMANN.

VON KURT PFISTER.

Der Maler Rudolf Großmann hat in Paris
den Weg zu sich selbst gefunden. — Dies
war in den ersten Jahren des Jahrhunderts, da
Paris das bedeutete, was um 1800 Rom für die
Nazarener gewesen ist: die hohe Schule des
Lebens und der Kunst. Das Cafe du Dome
war der Treffpunkt. Hier strömte alles zu-
sammen, was an Deutschen, länger verweilen-
den oder auch durchreisenden, in Paris lebte.
Neben den Künstlern — Purrmann, Weisgerber,
Großmann, Bondy, Ahlers-Hestermann, Nöl-
ken, Kars und anderen — die Schriftsteller,
Kunsthändler, Snobs. Man diskutierte ironisch
und ernsthaft über Kunst, Modelle, Rennen,
glossierte herablassend die Leistungen der an-
deren, zumal der Arrivierten; oder aber man
trank seinen Absinth, hüllte sich in dichte Rauch-
wolken und schwieg. Aber man blieb zusam-
men. Dies dauerte länger als ein Jahrzehnt,
bis in den Juli 1914.

Es waren die Jahre, da man in Paris um das
Erbe Cezannes stritt. Man atmete noch in der
Luft der Impressionisten und doch lebte in den
Meisten schon die Ahnung von etwas neuem,

anders gearteten, das in der Konsequenz Ce-
zanneschen Strebens liegen mußte; nur daß
man sich über die Erscheinungsform noch nicht
klar war. Großmann hat die Situation einmal
sehr hübsch gekennzeichnet: Eigentlich wun-
dervoll, der Impressionismus, schade, daß man
es jetzt nicht mehr darf. — Dabei galt im Kreis
der Künstler des Cafe du Dome nicht die puri-
tanische und strenge kubistische Art Picassos,
vielmehr die weichere und graziösere Matisse';
deren Sinn etwa, wenn man die Paradoxie
wagen darf, in einer Kreuzung von Cezanne
und Renoir liegt.

Die Atmosphäre solchen Lebens und solcher
Kunst gab Großmann entscheidenden Antrieb.
Was er dort und seither schuf, Landschaften
vor allem und einige Bildnisse, ist unablässige
Bemühung um die nervöse und malerische Durch-
bildung der Fläche. Fläche verwirklicht leuch-
tendes Email, funkelnden Schliff und das Ge-
äder einer feinnervigen Struktur. Zweifel und
Unsicherheit des Seins wird Form in der Sensi-
bilität der immer schwingenden farbigen Fläche.
Die Problematik eines Einzelnen (und einer

XXIV. Februar 1921. 2
 
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