TONI
KUHLEMANN.
WANDTELLER.
KERAMISCHE ARBEITEN VON TONI KUHLEMANN.
Die Skizze hat in der Malerei längst Bürger-
recht erworben. In den Ausstellungen ist
sie mindestens ebenso zahlreich vertreten wie
das fertige Bild. Sogar Holzschnitt und Stein-
druck haben die Reize des Skizzenhaften er-
fahren. Anders wird es schon in der Plastik.
Hier vollzieht sich die Entstehung des Werkes
doch viel langsamer und umständlicher. Eine
Fünf-Minuten-Skizze ist da schon aus prak-
tischen Gründen ausgeschlossen. Trotzdem hat
mehr als ein Bildhauer versucht, die Werte der
Ursprünglichkeit, die während der Arbeit ent-
stehen, festzuhalten: Eine Skizzenhaftigkeit,
der man die Absicht, das nachträgliche Ver-
wischen anmerkte, war nicht selten die stö-
rende Folge dieses Bemühens.
Der Kunsthandwerker fühlt sich im allge-
meinen so sehr als ausführendes Organ, daß er
wohl vom entwerfenden Künstler eine flüchtige
Skizze als Entwurf hinnimmt, selbst aber nie-
mals wagen würde, etwas ähnlich Unfertiges zu
liefern. Der Schrank muß tadellos schließen
und poliert sein. „Fehler" werden nicht ge-
duldet. Der Künstler freilich empfindet gerade
aus diesem Grunde das Kunstgewerbe oftmals
als steif, glatt und „leer", und wo er selbst die
Ausführung besorgt, scheut er nicht davor zu-
rück, gerade Unebenheiten und Willkürlich-
keiten der Handarbeit zu betonen.
Die Keramiken von Toni Kuhlemann sind
in diesem Sinne Skizzen. Da ist keine Guß-
form benützt, keine Drehbank; nichts ist über-
arbeitet oder geglättet. So wie die Dinge aus
dem Spiel der freibauenden Hand hervorgingen,
sind sie gebrannt, sind sie bemalt und glasiert
worden. Ich will nun nicht behaupten, daß
demgegenüber exakt gearbeitete Keramik min-
der wertvoll ist. Aber die Frische der Gestal-
tung und das „Tönerne" des Materials kommen
doch gerade in dieser Skizzenhaftigkeit sehr
rein zum Ausdruck. Wie sehr die freie naive
Technik die Phantasie anregt, zeigen diese ur-
eignen, jedem Klischee fernen Gestalten, die
die Frische echter Volkskunst atmen und von
ästhetischen Bedenken so unberührt sind wie
irgend eine prähistorische Ausgrabung. Das
Motiv der „Kopfkrüge", die Kerze im Kopf, im
Rücken, im Bauch, einst der Schrecken des
Theoretikers, wird von der respektlosen Jugend
mit fröhlicher Ungeniertheit bevorzugt. Auch
aus allgemein künstlerischen Gesichtspunkten
sind diese Versuche nicht ohne Bedeutung.
Wir sehen wie manche plastischen Motive hier,
in ihrer Urform, viel sinnfälliger wirken, als in
XXIV. Febru.r 1921. ö
KUHLEMANN.
WANDTELLER.
KERAMISCHE ARBEITEN VON TONI KUHLEMANN.
Die Skizze hat in der Malerei längst Bürger-
recht erworben. In den Ausstellungen ist
sie mindestens ebenso zahlreich vertreten wie
das fertige Bild. Sogar Holzschnitt und Stein-
druck haben die Reize des Skizzenhaften er-
fahren. Anders wird es schon in der Plastik.
Hier vollzieht sich die Entstehung des Werkes
doch viel langsamer und umständlicher. Eine
Fünf-Minuten-Skizze ist da schon aus prak-
tischen Gründen ausgeschlossen. Trotzdem hat
mehr als ein Bildhauer versucht, die Werte der
Ursprünglichkeit, die während der Arbeit ent-
stehen, festzuhalten: Eine Skizzenhaftigkeit,
der man die Absicht, das nachträgliche Ver-
wischen anmerkte, war nicht selten die stö-
rende Folge dieses Bemühens.
Der Kunsthandwerker fühlt sich im allge-
meinen so sehr als ausführendes Organ, daß er
wohl vom entwerfenden Künstler eine flüchtige
Skizze als Entwurf hinnimmt, selbst aber nie-
mals wagen würde, etwas ähnlich Unfertiges zu
liefern. Der Schrank muß tadellos schließen
und poliert sein. „Fehler" werden nicht ge-
duldet. Der Künstler freilich empfindet gerade
aus diesem Grunde das Kunstgewerbe oftmals
als steif, glatt und „leer", und wo er selbst die
Ausführung besorgt, scheut er nicht davor zu-
rück, gerade Unebenheiten und Willkürlich-
keiten der Handarbeit zu betonen.
Die Keramiken von Toni Kuhlemann sind
in diesem Sinne Skizzen. Da ist keine Guß-
form benützt, keine Drehbank; nichts ist über-
arbeitet oder geglättet. So wie die Dinge aus
dem Spiel der freibauenden Hand hervorgingen,
sind sie gebrannt, sind sie bemalt und glasiert
worden. Ich will nun nicht behaupten, daß
demgegenüber exakt gearbeitete Keramik min-
der wertvoll ist. Aber die Frische der Gestal-
tung und das „Tönerne" des Materials kommen
doch gerade in dieser Skizzenhaftigkeit sehr
rein zum Ausdruck. Wie sehr die freie naive
Technik die Phantasie anregt, zeigen diese ur-
eignen, jedem Klischee fernen Gestalten, die
die Frische echter Volkskunst atmen und von
ästhetischen Bedenken so unberührt sind wie
irgend eine prähistorische Ausgrabung. Das
Motiv der „Kopfkrüge", die Kerze im Kopf, im
Rücken, im Bauch, einst der Schrecken des
Theoretikers, wird von der respektlosen Jugend
mit fröhlicher Ungeniertheit bevorzugt. Auch
aus allgemein künstlerischen Gesichtspunkten
sind diese Versuche nicht ohne Bedeutung.
Wir sehen wie manche plastischen Motive hier,
in ihrer Urform, viel sinnfälliger wirken, als in
XXIV. Febru.r 1921. ö