Karl Hof er.
karl hofer.
»selbstbild«
GENEHMIGUNG
PAUL CASSIRER.
höhere Freiheit geführt wird. So erhalten
Hofers Bilder ein trächtiges inneres Gefühl,
ob er nun, um zwei Enden seiner Kunstwelt
zu nennen, Stilleben fügt, die fast den Kubisten
naherücken, oder ob er ein Bild wie den „Ge-
fangenen" schafft, in dem sich das Gefäß der
aus dem Grunde gehobenen Formen sichtbarlich
mit seelischem Inhalt füllt. Es ist eine Kunst,
die dauernd mit dem letzten Ausdruck kämpft
— ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.
Heitere Beschwingtheit ist ihr fern. Sie ist herb
und spröde. Sie jubelt nicht, dazu hat sie
gleichsam zu viel durchgemacht. Aber sie ver-
schmäht auch jeden Reiz des Gefälligen,
Schmeichlerischen. So bewußt sie auf Flächig-
keitderBilddeckunghinarbeitet —dieölgemälde
sind technisch oft so behandelt, daß sie wie
Temperabilder aussehen—, so erfolgreich gehen
sie allen „dekorativen" Effekten in weitem
Bogen aus dem Wege. Nichts ist hier Ober-
flächenkunst, alles bohrt sich in die Tiefe. Von
dorther werden diese versunkenen Träume
menschlichen Seins und Empfindens geholt, die
in Hofers Bildern sich darbieten — die langsam
und feierlich ihre Schleier abzuwerfen scheinen,
um uns ihren Sinn zu offenbaren......m. o.
GLEICHGEWICHT. Große Kunst gehorcht
streng dem Prinzip des Gleichgewichts. Die
Erfüllung der Bedingungen des Gleichgewichts
vor allen andren löst in uns das Gefühl der Be-
friedigung aus. Die romanische Kunst bringt die
vollständige Lösung der Gleichgewichtsfrage.
Sie baut ihr gesamtes Werk so vollständig „ge-
wichtig" auf, daß endgültig abgeschlosseneFakfa
daraus werden. Es sei an eine griechische Statue,
oder einen Renaissancepalast, oder ein Bild
Lionardos erinnert! Alle haben sie gleichsam
einen großen Sockel unter sich, der sie von der
„Erde" trennt, und sie, überall hintragbar, auf
eine überirdische Höhe stellt. Die deutsche
Kunst bringt die Lösung der Gleichgewichtsfrage
nicht, dieses Urland des Altertums, in dem die
Landschaft in ihrer Breite alles überwiegt. Die
deutsche Kunst sieht ihr Ideal in der Erhaltung
des Wiegens von Gewichten. Rembrandts Mäd-
chen auf der Nachtwache ist kein Höhepunkt,
kaum ein Haltepunkt, nur ein huschendes Licht
in dem wundervollen Wellengang von Hell und
Dunkel, von links nach rechts, und zurück, ohne
Ende. Im Zusammenhang damit ist das Gefühl
für Valeurs beim Deutschen feiner ausgebildet
als beim Romanen.......
dr. weinmayer.
297
karl hofer.
»selbstbild«
GENEHMIGUNG
PAUL CASSIRER.
höhere Freiheit geführt wird. So erhalten
Hofers Bilder ein trächtiges inneres Gefühl,
ob er nun, um zwei Enden seiner Kunstwelt
zu nennen, Stilleben fügt, die fast den Kubisten
naherücken, oder ob er ein Bild wie den „Ge-
fangenen" schafft, in dem sich das Gefäß der
aus dem Grunde gehobenen Formen sichtbarlich
mit seelischem Inhalt füllt. Es ist eine Kunst,
die dauernd mit dem letzten Ausdruck kämpft
— ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.
Heitere Beschwingtheit ist ihr fern. Sie ist herb
und spröde. Sie jubelt nicht, dazu hat sie
gleichsam zu viel durchgemacht. Aber sie ver-
schmäht auch jeden Reiz des Gefälligen,
Schmeichlerischen. So bewußt sie auf Flächig-
keitderBilddeckunghinarbeitet —dieölgemälde
sind technisch oft so behandelt, daß sie wie
Temperabilder aussehen—, so erfolgreich gehen
sie allen „dekorativen" Effekten in weitem
Bogen aus dem Wege. Nichts ist hier Ober-
flächenkunst, alles bohrt sich in die Tiefe. Von
dorther werden diese versunkenen Träume
menschlichen Seins und Empfindens geholt, die
in Hofers Bildern sich darbieten — die langsam
und feierlich ihre Schleier abzuwerfen scheinen,
um uns ihren Sinn zu offenbaren......m. o.
GLEICHGEWICHT. Große Kunst gehorcht
streng dem Prinzip des Gleichgewichts. Die
Erfüllung der Bedingungen des Gleichgewichts
vor allen andren löst in uns das Gefühl der Be-
friedigung aus. Die romanische Kunst bringt die
vollständige Lösung der Gleichgewichtsfrage.
Sie baut ihr gesamtes Werk so vollständig „ge-
wichtig" auf, daß endgültig abgeschlosseneFakfa
daraus werden. Es sei an eine griechische Statue,
oder einen Renaissancepalast, oder ein Bild
Lionardos erinnert! Alle haben sie gleichsam
einen großen Sockel unter sich, der sie von der
„Erde" trennt, und sie, überall hintragbar, auf
eine überirdische Höhe stellt. Die deutsche
Kunst bringt die Lösung der Gleichgewichtsfrage
nicht, dieses Urland des Altertums, in dem die
Landschaft in ihrer Breite alles überwiegt. Die
deutsche Kunst sieht ihr Ideal in der Erhaltung
des Wiegens von Gewichten. Rembrandts Mäd-
chen auf der Nachtwache ist kein Höhepunkt,
kaum ein Haltepunkt, nur ein huschendes Licht
in dem wundervollen Wellengang von Hell und
Dunkel, von links nach rechts, und zurück, ohne
Ende. Im Zusammenhang damit ist das Gefühl
für Valeurs beim Deutschen feiner ausgebildet
als beim Romanen.......
dr. weinmayer.
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