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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Sturm, Hans: Der Wettbewerb Matheus Müller in Eltville
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0343

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Der Wettbewerb Matheus Müller in Eltville.

Böhringer in Stuttgart (Abb. S. 321—323) hebt
sich aus allen übrigen Entwürfen durch eine
ungewöhnlich glückliche Einfühlung in die Situa-
tion heraus. Der senkrecht gegen den Rhein
vorspringende Hauptbau gibt im Zusammenhang
mit den weiter zurückliegenden Flügelbauten
und dem im Winkel liegenden erhöhten Garten-
hof mit seiner gedeckten Pergola Bilder von
besonderer Schönheit. Den Verfassern ist es
gelungen, einen Bau von repräsentativer Wir-
kung zu schaffen, der sich vortrefflich in das
Stadtbild einfügt. Der weithin sichtbare ein-
fache Stufengiebel mit dem daran anschließen-
den hohen Dachfirst läßt das Bauwerk schon
von weitem auf der Dampferfahrt in Erscheinung
treten, und bleibt dem Beschauer bis weit über
das Weichbild der Stadt Eltville hinaus in seiner
feinen Silhouette erhalten.

Die Grundrißanordnung erfüllt im großen
und ganzen die praktischen Anforderungen, die
das Programm gestellt hatte. Die Neubauten
sind sparsam in das zur Verfügung stehende
Baugelände in den Grenzen der gegebenen
Fluchtlinien eingepaßt, ohne daß große Flächen
nutzlos zu Zier- oder Gartenhöfen verschwendet
werden. Es verbleibt der schöne große Fabrik-
hof, um den sich die einzelnen Gebäulichkeiten
in zweckmäßiger Weise gruppieren; so gelingt
es den Verfassern, daß ohne Innenhöfe und
Oberlichte überall eine günstige und ausrei-
chende Beleuchtung und Belüftung der Räume
und Flure ermöglicht werden kann. Von be-
sonderem Reiz sind die Raumfolge vom Ein-
gang bis zur Repräsentationshalle und der Zu-
sammenhang der Besuchszimmer und Gesell-
schaftsräume mit dem erhöhten Gartenhof.
Dieser geschützte und von dem Verkehr der
Straße abgeschlossene Sitzplatz ladet ein, nach
ernsten Geschäften eine Ruhepause in freier
Natur, bei prachtvoller Aussicht auf den Rhein,
zu genießen. Die stattliche Repräsentations-
halle ist mit einfachen Mitteln stimmungs- und
wirkungsvoll ausgestattet; der Eingang zumFest-
saal, die Bogenhalle mit der Treppe zu den Kel-
lern geben dem Raum die architektonische Note.

In wirtschaftlicher Hinsicht sind die Gesamt-
anlagen und die einzelnen Raumgrößen richtig
und trotzdem sparsam bemessen. Der Entwurf
gestattet die Bauausführung in verschiedenen
Bauabschnitten, ohne daß wesentliche Abweich-
ungen vom Projekt oder spätere bauliche Ver-
änderungen notwendig würden...........

Der mit dem zweiten Preise ausgezeichnete
Entwurf des Herrn Architekten Dipl.-Ing. Fried-
rich Otto aus Kirn a. d. Nahe (Abb. S. 320)
geht aus von einer symmetrischen ovalen Hof-
anlage, die auf den rückwärtigen Teil des Grund-
stückes gelegt ist. In der Querachse ist an die
Rheinfront der Repräsentationsbau gelegt, der
in seinen Verhältnissen künstlerisch fein emp-
funden ist, und der wohl trotz seiner eigen-
artigen Formen dem Stadtbild zur Zierde ge-
reichen würde. Der künstlerisch hoch zu be-
wertende Entwurf weist jedoch in der Grund-
rißanordnung verschiedene Mängel auf, die
durch die symmetrische Anlage bedingt sind.

Das Projekt der Herren Professor Bieber und
Reg.-Baumeister Hollweck in München (Abb.
S. 324), welches mit dem dritten Preis ausge-
zeichnet wurde, und die Arbeit der Herren
Architekten Brüder Siebrecht aus Hannover
(Abb. S. 325), die den vierten Preis erhielt,
weisen ähnliche Gestaltung des äußeren Auf-
baues auf. Beide Entwürfe würden, trotz der
großen Höhenentwickelung, im Stadtbild nicht
störend wirken; die gewählten Architektur-
formen sind schlicht und einfach, ohne daß hier-
durch die repräsentative Wirkung der Gebäude
beeinträchtigt würde. Die Grundrißanordnungen
weisen verschiedene bemerkenswerte gute Lö-
sungen von Einzelheiten auf; hierdurch sind
jedoch die Anlagen von Innenhöfen notwendig,
die wieder die Übersichtlichkeit und Klarheit
der Gesamtanlage beeinträchtigen.

Unter den angekauften Arbeiten befand sich
mancher Entwurf, der durch die Eigenart der
äußeren Gestaltung oder durch gute Ideen im
Grundriß bemerkenswert war.

Die Firma hat sich entschlossen, den mit dem
ersten Preise ausgezeichneten Entwurf „Rhein-
sporn" als Grundlage für die Ausführung zu
wählen, und hat die Preisträger mit der weiteren
Bearbeitung der Pläne und der künstlerischen
Leitung bei der Bauausführung beauftragt. Es
ist zu hoffen, daß die Zeitverhältnisse es bald
gestatten werden, das geplante Bauvorhaben
in seiner ganzen Ausdehnung zur Ausführung
zu bringen. So wird, dank dem künstlerischen
Sinn der Inhaber der Firma Matheus Müller,
demnächst ein vorbildliches Bauwerk entstehen,
das den praktischen Anforderungen des Be-
triebes vollkommen gerecht wird, und dabei
eine Zierde der Stadt Eltville und unseres deut-
schen Rheines sein wird........hans stürm.

um
 
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