■I
Gibt es für den Künstler verbindliche Gesetze der Farbenwahl?
WIENER
WERKSTÄTTE.
DAG. PECHE.
» SCHACHTEL-
PYRAMIDE«
GOLDGEPRESS-
TES PAPIER.
junge, zarte Grün einer Wiese wirkt ganz anders
als die gleiche Farbe auf einem Antlitz. Denn
im erstenFall erleben wir eine Bedeutungsschicht,
die sich mit den Worten „Frühling und erste
Jugend" umschreiben läßt, im zweiten aber
Verfall, Verwesung, Auflösung. Und das Rot
einer Wange ist ganz anders gefühlsbetont als
die gleiche Schattierung einer Nase oder einer
entzündeten Stelle. Treten die Farben als
Dingeigenschaften, als Dingcharakterisierungen
auf, versagen die einfachen Harmonieregeln,
und es ergibt sich ein weit komplizierterer
OrganismuskünstlerischerGegenstandsfaktoren.
Das Kolorit eines Bildes kann von seiner stoff-
lichen Bedeutung her bestimmt sein, sich ihr
ganz anschmiegen und ihren Gefühlsgehalt
unterstützen. Es vermag aber auch sich ihm
zu widersetzen, wodurch eine gewisse Spannung
ins Kunstwerk getragen wird, die ihm bisweilen
einen besonderen Reiz verleiht. Ein wildes
Geschehnis wird sanft und fast flaumhaft zart
vorgetragen, oder die Stille eines Zustandes
wird hineingerissen in den Taumel glühender,
orgiastischer Farben. Sie dämpfen und unter-
streichen, sie geben die bunte Oberfläche und
auch metaphysische Tiefe. Und manchmal sind
sie nur Ausdruck seelischer Entladung, von
ihr selbstherrlich gesetzt, durch ihren Rhythmus
und ihre Intensität die Gesetzlichkeit emp-
fangend. Der Einzelfälle unendliche Fülle kann
Gibt es für den Künstler verbindliche Gesetze der Farbenwahl?
WIENER
WERKSTÄTTE.
DAG. PECHE.
» SCHACHTEL-
PYRAMIDE«
GOLDGEPRESS-
TES PAPIER.
junge, zarte Grün einer Wiese wirkt ganz anders
als die gleiche Farbe auf einem Antlitz. Denn
im erstenFall erleben wir eine Bedeutungsschicht,
die sich mit den Worten „Frühling und erste
Jugend" umschreiben läßt, im zweiten aber
Verfall, Verwesung, Auflösung. Und das Rot
einer Wange ist ganz anders gefühlsbetont als
die gleiche Schattierung einer Nase oder einer
entzündeten Stelle. Treten die Farben als
Dingeigenschaften, als Dingcharakterisierungen
auf, versagen die einfachen Harmonieregeln,
und es ergibt sich ein weit komplizierterer
OrganismuskünstlerischerGegenstandsfaktoren.
Das Kolorit eines Bildes kann von seiner stoff-
lichen Bedeutung her bestimmt sein, sich ihr
ganz anschmiegen und ihren Gefühlsgehalt
unterstützen. Es vermag aber auch sich ihm
zu widersetzen, wodurch eine gewisse Spannung
ins Kunstwerk getragen wird, die ihm bisweilen
einen besonderen Reiz verleiht. Ein wildes
Geschehnis wird sanft und fast flaumhaft zart
vorgetragen, oder die Stille eines Zustandes
wird hineingerissen in den Taumel glühender,
orgiastischer Farben. Sie dämpfen und unter-
streichen, sie geben die bunte Oberfläche und
auch metaphysische Tiefe. Und manchmal sind
sie nur Ausdruck seelischer Entladung, von
ihr selbstherrlich gesetzt, durch ihren Rhythmus
und ihre Intensität die Gesetzlichkeit emp-
fangend. Der Einzelfälle unendliche Fülle kann