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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Osborn, Max: Ein Vierteljahrhundert deutscher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0026

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Ein Vierteljahrhundert deutscher Kunst.

Niederschlag im individuellen Empfinden des
Künstlers aufgefangen werden sollten — mit
schlagender Prägnanz bezeichnete die Wort-
formel des Expressionismus die Verschiebung
des Standpunkts.

Malerei und Plastik ergriffen mit Feuereifer
und leidenschaftlicher Hingabe die neuen Mög-
lichkeiten, die sich damit öffneten. Zugleich
ward es offenbar, daß sie durch den Wandel
der Auffassung der dekorativen Kunst entschei-
dende Anregungen zufließen lassen müßten.
Die Synthese der Maler, die an Stelle der Ana-
lyse des Impressionismus getreten war, führte
zu erhöhter Bedeutung der Farbfläche und Wie-
dereinsetzung der formgebenden Linie. Damit
war ein Weg gewiesen, der die Malerei in vor-
dem ungeahnte Beziehung auch zu der schmük-
kenden Kunst brachte, zu der Wanddekora-
tion, der Mosaikkunst, der Glaskunst, der Wir-
kerei. Stärker noch wurden auf solche Weise
der Zusammenhang und die Einheit der Künste
betont. Wir stehen heute mitten auf dem neuen
Wege, der dadurch beschritten ward. Noch hat
sich nicht auf der ganzen Linie eine Klärung
der Anschauungen durchgesetzt. Noch kämpft
künstlerischer Subjektivismus um Ausdrucks-
formen, die eine Wirkung in die Breite ausüben
könnten. Noch scheint der neue Stil nicht er-

reicht, der gerade nach der Sehnsucht der Ju-
gend eine Angelegenheit des ganzen Volkes
werden soll und kann. Aber gerade die neue
Bewegung der Kräfte, die geboren wurde, das
Ringen der Geister, dessen Schauspiel wir wie-
der erleben, ist uns Bereicherung unseres
Lebensgefühls, gibt der deutschen Arbeit neue
Impulse und Ausblick in die Zukunft.

„Deutsche Kunst und Dekoration" hat auch
an diesen großen Auseinandersetzungen leb-
haften und tatkräftigen Anteil genommen. Die
Zeitschrift und ihr Herausgeber haben gerade
heute ein Amt von hoher Bedeutung zu erfüllen,
da sie es sich als Aufgabe stellen, im gärenden
Gewoge künstlerischer Neugestaltungen und
Formbildungen, Wagnisse und Experimente mit
kritischem Blick das herauszufinden, was ge-
sunde und bleibende Werte enthält. Zu ihrem Ju-
biläum kann man ihnen keinen besseren Wunsch
darbringen, als daß es ihrer Tatkraft und ihrer
wachen Sorgsamkeit weiterhin so wie bisher ge-
lingen möge, in der andrängenden Fülle auf das
zu weisen, was guten Geschmack, ernste
Arbeit, edles Handwerk und starkes
Wirken im Dienste der künstlerischen
Kultur unseres Volkes bedeutet. Mehr
denn je tut uns in diesen Zeiten ein Führer und
Berat er not, der sich solche Ziele steckt, m. o.

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fr. ahlers-hestermann—hamburg. »durchblick«
 
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