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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Kunstwachstum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0348

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vincent van gogh.

» rosen und sonnenblumen «

STÄDTISCHE KUNSTHALLE-MANNHEIM.

KUNSTWACHSTUM.

Wenn man zugibt — und man muß es —
daß Kunst nicht auf Grund von theore-
tischen Erwägungen und von verstandesmäßigen
Schlüssen gemacht wird, sondern, daß sie viel-
mehr einem inneren Drange, einem ,Muß', einer
Notwendigkeit des Unterbewußtseins, einem
Zwange entspringt, so wird man ihre Werke
vom Standpunkte des natürlichen Wachstums
der Dinge betrachten müssen. Kunstwerke sind
wie Pflanzen, Gewächse, die aus dem Boden
des Menschlichen emporwachsen. Reicher Bo-
den, umfangreiche Menschlichkeit gibt starke,
kräftige, feste Gewächse von baumartiger Kraft
und Größe, magerer Sandboden kärgliche, sta-
chelige und mattblühende! Sumpfiger, fauler,
saurer Boden zeitigt geile Schlammvegetation.
Klimatische Einflüsse als Schicksale wirken auf
Gedeih und Verderb neben den chemischen und
aggregatischen Zuständen des Humus I Kunst-
werke sind genau wie die wirklichen Gewächse
der Erde zu klassifizieren: Wir bemerken selb-

ständige, hybride, parasitäre, anspruchsvolle
und genügsame und was weiß ich.

Die Anregung zum Wachstum kommt nie aus
der Persönlichkeit allein, wie aus dem Boden
nichts erwächst, der keinen Samen empfangen
hat. Der Samen muß da sein und der Boden,
dann erst ist von der Möglichkeit des Ent-
stehens eines Kunstwerkes die Rede.

Tausendfältig sind die Möglichkeiten der Be-
samung, ihnen nachzuträumen führt in die Welt
der größten geheimsten Lebenswunder.

Worin besteht der Samen der Kunstwerke?
In Vorstellungen, die aus der Umwelt ange-
zogen in das mütterliche Zellengewebe der
Seele fallen und dort von persönlichen Emp-
findungen umhüllt, ihre Triebkraft entfalten und
im Charakter Keim und Wurzeln bilden.

Herrliche, mann - weibliche - seelisch - geistige
Werdevorgänge, vorläufig nur geahnt, winkt ihr
als köstliche Ergründungsziele der Wissenschaft
der Zukunft: Der Geistesbiologie. Hardenberg.

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