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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Frank, Willy: Kunstwerk, Tat und Gedanke
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0125

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ULLI VETTER—MÜNCHEN.

»TEIL NEBENSTEH. WANDTEPPICHS«

KUNSTWERK, TAT UND GEDANKE.

In allen Geschöpfen sind Geist und Materie
auf das Innigste zusammengebracht, am sicht-
barsten im Menschen: so erscheint die Welt-
Tatsache vor unserer prüfenden Erkenntnis. Es
gibt kein Bild, das die Innigkeit dieser Verbin-
dung auch nur annähernd ausdrücken könnte;
eine Innigkeit, die keines der beiden Elemente
aufhebt und sie doch bis zur Aufhebung mit-
einander verflicht.

Man merkt nun in allem, was der Mensch
durch Tun oder Denken geistig bewirkt, das
Bemühen, Geist und Stoff ebenso innig zu-
sammenzubringen, wie die schöpferische Kraft es
ihm vorgemacht hat. Alles Menschengemächte
brennt von dem Ehrgeiz, ein flutendes geistiges
Element mit einem starren stofflichen Element
so herzlich zu vereinigen, daß Gestalt und Leben
entsteht. Dieser Ehrgeiz ist in jeder eigentlichen
Tat; er ist im Aufbau jedes Menschenlebens;
er ist in jedem echten Gedankenkunstwerk.
Das höchste Streben der Philosophie war von
jeher, ein Weltmodell in Begriffen zu erschaffen,

in dem alle am Weltbau beteiligten Stoffe und
Kräfte peinlich genau nachgebildet sind, wenn
auch in ganz anderem, nämlich begrifflichem
Material. Besonders durch das deutsche Denken
zieht sich das Hauptproblem, darzustellen, wie
Geist undMaterie sich begegnen und vermischen,
unter welchen Begleiterscheinungen sich die Ver-
leihung vollzieht, wie sich Beharrendes und
Wechselndes, Endliches und Ewiges in einander
fügen, wie Licht und Finsternis sich in wogendem
Streit bekriegen und dennoch in diesem Krieg
das Rätselhafte und Gewaltige erzeugen: die
Gestalt. Wenn immer wieder alte Weltmodelle
durch neue ersetzt werden, so geschieht dies
aus der Unersättlichkeit des Menschengeistes,
das Zusammensein der beiden Elemente im be-
grifflichen Ausdruck ständig zu verinnigen.

Im Zusammenhang dieser unablässigen Be-
mühungen des Menschen, die charakteristische
schöpferische Verbindung von Geist und Ma-
terie nachzuahmen, steht an bevorzugter Stelle
das Kunstwerk. Bevorzugt vor dem Ge-

X*V. Okt.-Nov. 1921. 12
 
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