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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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C., R.: Zeitgeist und Geschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0063

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MORITZ v. SCHWIND.

»ELFEN-REIGEN«

ZEITGEIST UND GESCHICHTE.

Das Leben der Kunst, machen wir uns
dieses nur klar, ist nicht Schaffen allein,
es ist Aus- und Einatmen, ein Wechsel von
produktiver und rezeptiver Tätigkeit." Diese
tiefen Worte Dehios sollten den Verächtern
historischer Betrachtungsweise zudenken geben.
Obwohl kein Mensch gewillt ist, aus den Er-
fahrungen anderer zu lernen, und eine einmal
dagewesene Weltlage sich nie wieder erneuert,
darf man doch den Wert der Geschichte, der
Einsicht ins Geschehen, nicht über Bord werfen
wollen wie Schopenhauer und Nietzsche. Das
Einmalig- 1 .....

F;„ i- ocnopenh,

ZK?6 Y Wert und Bedeutung für die
Glied ' ^.p^enwart, weil es da war, und
ist der,Kette des Geschehens wurde. Es

ues vjescnenens wurae. es
ist nicht mehr wegzudenken. Dauer ist keine
Ausdehnung, läßt sich nicht zerlegen (Bergson),
das Geschehen gehört in die Kategorie der Zeit;
sie verbindet Gegenwart und Vergangenheit.

Nicht um aus der Erkenntnis der Kunst-
formen der Vergangenheit zu lernen, treiben
wir Kunstgeschichte (denn jede Zeit wertet von

ihrer Erkenntnislage alle Kulturäußerungen der
Vergangenheit, sieht also Vergangenes durch
eine Zeitbrille), sondern um uns selbst zu be-
greifen. Stellten wir uns außerhalb des Zeiten-
ablaufes, überschätzten wir leicht uns und unsere
Bedeutung und vernichteten dadurch Werte.
Erst das Erkennen, daß wir anderen schulden,
was wir sind, gibt uns den Maßstab für die
eigene Leistung. Und Maßstäbe brauchen wir,
wie im Leben, so in der Kunst. Der moderne
Künstler überschätzt auf Grund der materiali-
stischen Geschichtsauffassung leicht seine Be-
deutung für das Geistige und stellt das Hand-
werkliche zurück. Fühlte er sich in seiner Be-
trachtungsweise in die Geschichte ein, würde
er erkennen, daß nur der Förderung bringt, der
dient. Es ist Überschätzung der Bedeutung
der Künstler und Selbstüberschätzung, wenn
sie durch eine Kunstrichtung glauben, die Zeit
aus ihrer eingeschlagenen Bahn zu führen. Sie
müssen sich einordnen in den Grundton der
Zeit, ob sie wollen oder nicht. Karl der Große
 
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