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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Utitz, Emil: Die Beschreibung des Kunstwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0203

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DIE BESCHREIBUNG DES KUNSTWERKS.

VON PROFESSOR DR. EMIL UTIT7, ROSTOCK.

Jakob Burckhardt, der mit unvergleichlicher
Meisterschaft das tausendstimmige Instrument
der Sprache spielte, sagt im Vorwort zum Cice-
rone: „Könnte das Tiefste des Kunstwerks
in Worten überhaupt gegeben werden, so wäre
die Kunst überflüssig, und das betreffende Werk
hätte ungebaut, ungemeißelt, ungemalt bleiben
dürfen." Und heute wird kaum ein Kunst-
schriftsteller den überschwenglichen Glauben
hegen, seine Kunstbeschreibungen wären voll-
gültiger Ersatz für die Kunstwerke selbst. Ge-
wiß gibt es Fälle, wo die Kunstkritik anregender
und wertvoller erscheint als ihr künstlerischer
Ausgangspunkt; aber dieser Erfolg wird nicht
durch Nachbildung und Nachformung erzeugt.
Sie schüfen ja doch bloß eine Kopie in anders-
artigem Material, den Schatten eines an sich
lebensuntauglichen und schwachen Kunstwerks.
Nur wenn Kunstkritik auf ihre eigenen Auf-
gaben sich besinnt, erwirbt sie Daseinsrecht
und höhere Bedeutung. Keine Kunstkritik kann

aber die Beschreibung entbehren. In der Provinz-
presse oder in zusammenfassenden Sammel-
berichten lesen wir zwar manchmal — knapp
und kurz —- von einem „anmutigen Stilleben"
oder von einem „flott hingestrichenen Porträt",
von einem „duftigen Aquarell" oder von einem
„gewaltigen Historiengemälde". Aber diese
schlagwortartige und meist im Konventionellen
stecken bleibende Charakteristik, die nur das
Äußerlichste aufgreift und mit flüchtiger Geste
zensuriert, gibt dem Leser sehr wenig. Sie
regt auch nicht zum angemessenen Schauen an,
zu dem Verhalten, welches das Kunstwerk
fordert, wenn es sein Wesen enthüllen soll.
Und das sind bereits Aufgaben echter Kunst-
kritik. Max Dessoir hat durch eingehende —
und auch experimentell gestützte — Unter-
suchungen über das Beschreiben von Bildern
festgestellt, daß eine Beschreibung, die sich der
natürlichen Auffassung des Gegenstandes an-
schließt, zuallererst dasjenige anzugeben habe,
 
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