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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Lotte Nicklass
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10TTE NICKLASS.
_j Am 20. Novem-
ber v. Js. starb nach
langem schweren Lei-
den die hochbegab-
te Scherenkünstlerin
Lotte Nicklaß. — Sie
wurde im Jahre 1888
alsTochter eines Post-
rats geboren. Ihr
künstlerischer Werde-
gang ist höchst selt-
sam. Eine hervorra-
gende musikalische
Begabung veranlaßte
die Eltern, sie als Gei-
genkünstlerin ausbil-
den zu lassen. Ein
plötzlich aufgetretenes
Leiden vereitelte die-
sen Plan. Um die
Kranke auf ihrem
Schmerzenslager zu
beschäftigen, riet ihr
die Mutter Papier und
Schere zu nehmen,
Ornamente und Püpp-
chen auszuschneiden:
Die junge damals 21
jährige griff zu und
es zeigte sich ein Wun-
der: Sie, die nie vor-
her einen Scheren-
schnitt gemacht, sie,
die nie Unterricht im
Malen oder Zeichnen
genossen hatte, stand
plötzlich als reife si-
chere Künstlerin da.
Es war, als würden
die Töne, die sie früher
der geliebten Geige zu
entlocken verstanden
hatte, nun zu zarten
Umrissen, zu zittern-
den Linien und zu
traumhaften Gesich-
ten. — Sicherlich ein
merkwürdigerFall von
einer unmittelbaren
Umsetzung einer drän-
gend schöpferischen
Kunst in eine andere,
wobei freilich das be-
sonders Erstaunliche
ist, daß Ausbildung
und Reife der durch

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physische Hemmung
unterdrückten Bega-
bung der neu erregten
zu Gute kam! — Wie
alle, die den Kuß des
Todesengels früh emp-
fangen und ihr Schick-
sal dunkel ahnend
fühlen, entfaltete L ott e
Nicklaß nachihrerNeu-
werdung eine außer-
ordentlich fruchtbare
Tätigkeit. Viele Zeit-
schriften, darunter
auch die vorliegende
im Märzheft des Jahr-
gangs 1919 S. 437/44,
haben Werke der
Künstlerin veröffent-
licht. AucheineMappe
vonSchnitten aus 1001
Nacht ist erschienen,
die viele Freunde fand.
— Zu ihren reifsten
sowie reizvollsten ;
Schnitten gehören die
Illustrationen zu dem
Märchen von der Prin-
zessin vonNerdrebagh,
die sie im Auftrage der
„Gesellschaft hessi-
scher Bücherfreunde"
ausführte. Noch im
letzten Sommer erreg-
ten diese in Großquart
ausgeführten Umrisse
großes Aufsehen, wa-
ren sie doch von ei-
ner Meisterschaft der
Technik, wie sie bisher
noch nicht gesehen
wurde. Besonders fiel
die Behandlung der
Gewandmuster, der
Ornamente der Vor-
hänge, Zelte und Ge-
räte auf, die sie in ganz
neuer Art darzustellen
wußte. — Mit Lotte
Nicklaß ist eine beson-
ders liebenswürdige
Hoffnung dahingegan-
gen — kaum erwacht
zu Kunst und Leben,
schwand sie wieder
wie ein Traum oder ein
zartes Lied, hardenbg.
 
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