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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Benninghoff, Ludwig: Josua Leander Gampp
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0202

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Josua Leander Gampp.

in einem lyrischen Gedicht die Laute fügt aus
Vogelsang, Wind und Glockenklang, ohne eins
derselben nachzuahmen.

Die Romantiker waren fast die Letzten, die
unmittelbar sich geben können und groß genug
sind, in sich den Kosmos zu fühlen und aus
sich im kleinsten Symbol das kosmische Ge-
heimnis zu gestalten. Geheimnisvolles Weiter-
leben ihrer deutschen Seele, wie sie in Goethes
Sympathie der Farben, in Runges Beseelung des
Mikrokosmos und Makrokosmos glüht, offen-
bart sich in Gampp. Es gibt Aquarelle Gampps,
Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge: Was-
ser und Berglinie in der entrückten Feier der
Natur, die an die Andacht der Landschaften
des Romantikers Caspar David Friedrich denken
lassen, an dieselbe Kraft, die Seele zu tragen
auf den Fittichen der Ewigkeit.

Der Weg zu dieser Unmittelbarkeit ist bei
Gampp in ernster Arbeit errungen. Er hat dabei
das seltene Glück gehabt, einen Lehrer zu
finden, wie ihn die Jahrhunderte nur einmal
schenken: Hans Thoma. Unter der gütigen
Sonne dieses großen Künstlers und noch grö-
ßeren Menschen reift nicht nur das äußere
Können, sondern die innere Sicherheit, das
Finden zu sich selbst: die größte Gabe eines
Meisters, die er seinen Schüler n, vielmehr seinen
Jüngern, schenken kam.

Der ganzen Beanlagung Gampps liegt die Ver-
sinnlichung gleichgestimmter Lyrik am meisten.
Es ist nicht Einfühlen, sondern Neuschaffen: die
Bescheidenheit des großen Herzens und reichen
Könnens, das sich äußerlich anlehnt und innerlich
so überreich und frei ist. Gampp hat Lieder
Storms geschmückt und geschrieben, Wort und
Linie sind eine höhere Einheit geworden. Fast
noch reicher in der Instrumentierung ist zu
diesem Stormliederbuch jetzt ein Mörickebuch
getreten. (Beide im Verlag Alexander Duncker,
Weimar.) An einem Eichendorff-Büchlein ar-
beitet der Künstler. Daß er den schwersten
Prüfstein für wahre Herzlichkeit glücklich ge-
hoben hat, zeigt jetzt sein farbiger Bildschmuck

zu Christian Morgensterns Kinderliederbuch im
Verlag Bruno Cassirer-Berlin. Ich saß in der
letzten Zeit vor Stößen von Bilderbüchern. Es
war trostlos: Überall die Gewolltheit, kindlich
zu scheinen, nirgends das Größte und Schwerste:
Kind geblieben zu sein. Gampp hat dieses
Schwerste, wie es Runge, Speckter und Kreidolf
in ihren besten Gaben schenken. Hinzu kommt
gerade in diesem Kinderbuch die wundersame
Harmonie der Gamppschen Farbe.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich an
Gampp die Gemüter scheiden: Die Sentimen-
talen weisen ihn ab, sie sehen nichts an ihm oder
sie fühlen nichts Besonderes bei ihm und ent-
behren die ihnen so eingehende süßliche Glätte.
Da merkt man: Sentimentalität ist der Ersatz
für tiefes Herzensgefühl. Die zweite tritt ein,
wo das erste entschwunden. Gampp ist nirgends
sentimental, sondern immer herb und herzens-
tief. Nie nachgiebig, sondern immer er selbst.

Wir stehen an einer Wende der Zeiten. Wir
haben das Gefühl dafür bekommen, was Fassade
und Äußerlichkeit war, und wo das tiefe Leben
sprudelt. Wir scheiden nicht große und kleine
Kunst nach Format und Darstellungsvorwurf,
und wissen, daß Monumentalität nicht in der
Masse des verwendeten Materials, großflächiger
Leerheit und imponierender Gewolltheit liegt.
Wir fühlen, daß Deutschheit nicht sich erzwingen
läßt durch Nachahmung vergangener Stile, son-
dern daß sie in dem gleichen Leben der Seele
beruht, das sich in diesen Stilen zum Ausdruck
durchrang. Wenn es lebt, nimmt es aus sich
heraus den Zwang zu neuem, eigenen Ausdruck
in geheimnisvoller Verbundenheit mit der Seele
früherer Zeiten. Dieser Ausdruck kann nicht
gewollt werden, sondern ist persönlich gebun-
den wie in Gampps Gaben.

Kunst wird nie geschaffen aus Können und
Wollen, das lehre uns dieser stille, herzenstiefe
Führer zu unserer eigenen Seele: Sie wird
geboren aus großer, heißer Liebe, die innen
glüht und nach außen wärmt und leuchtet und
wieder Liebe weckt............... l. b.
 
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