Das einfache Haus.
PROF. SCHULTZE—NAUMBURG.
»LANDHAUS B. BEI HACKHAUSEN«
nur ja nirgends mehr eine Form zu verwenden,
die dem klassischen Formenschatze entnommen
sei; es müsse alles neu erzeugt werden, ja ein
jeder müsse womöglich seine eigenen Formen
erschaffen. Dies geschah denn auch aufs promp-
teste. Nur war dieses mühselig auf dem Nähr-
boden eines Dogmas und nicht einer Volks-
tradition entwickelte Zeug so dürftig, daß der
Tausch mit den vielleicht etwas abgegriffenen
Renaissance-Formen wahrlich kein Fortschritt
genannt werden konnte. Denn der Kern unseres
Baubetriebes war ja garnicht betroffen. Klei-
sterte man früher aus dem großen Katalog der
deutschen Renaissance seine Vorstadtvillen zu-
sammen, so kleisterte man dann aus einem
wesentlich schlechteren Kataloge die Neubauten
zusammen, und Straßen und ganze Straßenzüge
entstanden, in denen keine architektonische
Raumidee lebte, sondern die alle nur ein Schein-
dasein aus Motiven führten, mit dem einzigen
Unterschied, daß sie sich diesmal modern nann-
ten. Wer das heutige Deutschland durchwan-
dert und Augen hat zu sehen, der wird schließ-
lich erkennen, daß der Geist dieses Betriebes
nahezu der gleiche geblieben war und daß eine
wahre Besserung der Baugesinnung doch eben
immer noch auf Ausnahmen beschränkt ist.
Die Raumidee eines Hauses zeigt sich nie an
den Einzelformen, zu denen die Durchbildung
sich auswächst, sondern an dem Baukörper, der
in seinem Ausdruck noch bestehen bleiben
müßte, auch wenn man ihn aller Einzelformen
entkleidete. Man kann die Probe bei allen
klassischen Bauten machen, die wirklich Kunst-
werke bedeuten. Der übrigbleibende Baukör-
per, bestehend aus Mauern, Fensteröffnungen
und Dachflächen wird denselben Grundton des
Wohlklangs zeigen, während die meisten mo-
dernen Häuser nach dieser großen Wäsche
zu wahrhaft lächerlichen Gebilden zusammen-
schrumpfen müßten.
Vielleicht wird die traurige Zeit, in der wir
leben, auf diesem Gebiete eine Retterin aus der
Not. Das Bauen war früher so billig und der
Wohlstand zu groß, daß es garnicht sonderlich
darauf ankam, ob das Haus fünf Zacken und
Auswüchse mehr oder weniger hatte. Das ist
heute gründlich anders geworden. Das Bauen
ist gegen früher so unausdenkbar teuer gewor-
den, daß niemand mehr auch nur einen Ziegel-
UI1UI
PROF. SCHULTZE—NAUMBURG.
»LANDHAUS B. BEI HACKHAUSEN«
nur ja nirgends mehr eine Form zu verwenden,
die dem klassischen Formenschatze entnommen
sei; es müsse alles neu erzeugt werden, ja ein
jeder müsse womöglich seine eigenen Formen
erschaffen. Dies geschah denn auch aufs promp-
teste. Nur war dieses mühselig auf dem Nähr-
boden eines Dogmas und nicht einer Volks-
tradition entwickelte Zeug so dürftig, daß der
Tausch mit den vielleicht etwas abgegriffenen
Renaissance-Formen wahrlich kein Fortschritt
genannt werden konnte. Denn der Kern unseres
Baubetriebes war ja garnicht betroffen. Klei-
sterte man früher aus dem großen Katalog der
deutschen Renaissance seine Vorstadtvillen zu-
sammen, so kleisterte man dann aus einem
wesentlich schlechteren Kataloge die Neubauten
zusammen, und Straßen und ganze Straßenzüge
entstanden, in denen keine architektonische
Raumidee lebte, sondern die alle nur ein Schein-
dasein aus Motiven führten, mit dem einzigen
Unterschied, daß sie sich diesmal modern nann-
ten. Wer das heutige Deutschland durchwan-
dert und Augen hat zu sehen, der wird schließ-
lich erkennen, daß der Geist dieses Betriebes
nahezu der gleiche geblieben war und daß eine
wahre Besserung der Baugesinnung doch eben
immer noch auf Ausnahmen beschränkt ist.
Die Raumidee eines Hauses zeigt sich nie an
den Einzelformen, zu denen die Durchbildung
sich auswächst, sondern an dem Baukörper, der
in seinem Ausdruck noch bestehen bleiben
müßte, auch wenn man ihn aller Einzelformen
entkleidete. Man kann die Probe bei allen
klassischen Bauten machen, die wirklich Kunst-
werke bedeuten. Der übrigbleibende Baukör-
per, bestehend aus Mauern, Fensteröffnungen
und Dachflächen wird denselben Grundton des
Wohlklangs zeigen, während die meisten mo-
dernen Häuser nach dieser großen Wäsche
zu wahrhaft lächerlichen Gebilden zusammen-
schrumpfen müßten.
Vielleicht wird die traurige Zeit, in der wir
leben, auf diesem Gebiete eine Retterin aus der
Not. Das Bauen war früher so billig und der
Wohlstand zu groß, daß es garnicht sonderlich
darauf ankam, ob das Haus fünf Zacken und
Auswüchse mehr oder weniger hatte. Das ist
heute gründlich anders geworden. Das Bauen
ist gegen früher so unausdenkbar teuer gewor-
den, daß niemand mehr auch nur einen Ziegel-
UI1UI