Das einfache Haus.
zu brauchen: Herrschaftlichkeit — hervorge-
bracht werden könnte. Das ist eine Verirrung.
Denn all diese Dinge haben mit einem mehr
oder minder reichen Aufputz an Einzelformen
nichts zu tun, und gar bei unserem Sonder-
falle, dem Wohnhauswesen, sind sie eher schäd-
lich, da sie dem Wesen der Aufgabe nicht recht
entsprechen. Außerdem ist es ein vollkommener
Irrtum zu meinen, daß Mauerflächen, Fenster
und Dachdeckungen nicht an sich schon große
Schönheit zukäme und diese erst durch Zer-
kleinerung mittelst architektonischer Einzel-
formen hinzugetan werden müßte. Denn hier
kommt eine andere Schönheit zur Sprache: die
Materialschönheit. Kalkputz in seinen vielfäl-
tigen Abtönungen als Rauhputz oder geglätteter
Putz oder beides zusammen verwendet, ein
rauhes Ziegelmauerwerk mit breiten Kalkfugen,
weiß oder farbig gestrichene Türen, Fenster
und Läden und die Schuppenhaut eines Ziegel-
oder Schieferdaches sind die Ausdrucksmittel,
auf die der Architekt des Wohnhauses im
wesentlichen angewiesen ist. Es ist natürlich
hier nicht möglich, von dieser Art der Schön-
heit beschreibend zu reden, denn es handelt
sich um eine Wissenschaft für sich. In meinem
Buche „Der Bau des Wohnhauses" habe ich
versucht, mit dem Wort sie zu schildern und
durch Abbildungen zu erläutern..........
Daß die Ansätze zu der schlichten einfachen
Architektur des Wohnhauses in Deutschland
vorhanden sind, werden die Leser dieser Zeit-
schrift wissen, wenn sie die Jahrgänge durch-
blättern. Doch lasse man sich davon nicht täu-
schen: das, was die Schriftleitung einer Zeit-
schrift heraussucht, sind eben die Rosinen im
Kuchen, und wer wissen will, wie der Teig be-
schaffen ist, gehe durch die Straßen unserer
großen und kleinen Städte. Er wird dann sehen,
wie dünn die Ausnahmen gesät und daß sie
noch nicht bestimmend für die Kultur unserer
Tage geworden sind. Möge die harte Schule, die
jetzt die Baukunst Deutschlands durchzumachen
hat, dazu führen, daß sie es wieder einmal
zu einer Tradition bringt, die auf selbstsicheren
Füßen steht und mit schlichten klaren Zügen
eine neue Welt aufbaut, paul schultze-naumburg.
A
Wirft sich der Neuere, wie es uns eben jetzt
ergangen, fast bei jeder Betrachtung ins
Unendliche, um zuletzt, wenn es ihm glückt, auf
einen beschränkten Punkt wieder zurückzukeh-
ren, so fühlten die Alten ohne weitern Umweg
sogleich ihre einzige Behaglichkeit innerhalb der
lieblichen Grenzen der schönen Welt. Hierher
waren sie gesetzt, hierzu berufen, hier fand ihre
Tätigkeit Raum, ihre Leidenschaft Gegenstand
und Nahrung..................goethe.
zu brauchen: Herrschaftlichkeit — hervorge-
bracht werden könnte. Das ist eine Verirrung.
Denn all diese Dinge haben mit einem mehr
oder minder reichen Aufputz an Einzelformen
nichts zu tun, und gar bei unserem Sonder-
falle, dem Wohnhauswesen, sind sie eher schäd-
lich, da sie dem Wesen der Aufgabe nicht recht
entsprechen. Außerdem ist es ein vollkommener
Irrtum zu meinen, daß Mauerflächen, Fenster
und Dachdeckungen nicht an sich schon große
Schönheit zukäme und diese erst durch Zer-
kleinerung mittelst architektonischer Einzel-
formen hinzugetan werden müßte. Denn hier
kommt eine andere Schönheit zur Sprache: die
Materialschönheit. Kalkputz in seinen vielfäl-
tigen Abtönungen als Rauhputz oder geglätteter
Putz oder beides zusammen verwendet, ein
rauhes Ziegelmauerwerk mit breiten Kalkfugen,
weiß oder farbig gestrichene Türen, Fenster
und Läden und die Schuppenhaut eines Ziegel-
oder Schieferdaches sind die Ausdrucksmittel,
auf die der Architekt des Wohnhauses im
wesentlichen angewiesen ist. Es ist natürlich
hier nicht möglich, von dieser Art der Schön-
heit beschreibend zu reden, denn es handelt
sich um eine Wissenschaft für sich. In meinem
Buche „Der Bau des Wohnhauses" habe ich
versucht, mit dem Wort sie zu schildern und
durch Abbildungen zu erläutern..........
Daß die Ansätze zu der schlichten einfachen
Architektur des Wohnhauses in Deutschland
vorhanden sind, werden die Leser dieser Zeit-
schrift wissen, wenn sie die Jahrgänge durch-
blättern. Doch lasse man sich davon nicht täu-
schen: das, was die Schriftleitung einer Zeit-
schrift heraussucht, sind eben die Rosinen im
Kuchen, und wer wissen will, wie der Teig be-
schaffen ist, gehe durch die Straßen unserer
großen und kleinen Städte. Er wird dann sehen,
wie dünn die Ausnahmen gesät und daß sie
noch nicht bestimmend für die Kultur unserer
Tage geworden sind. Möge die harte Schule, die
jetzt die Baukunst Deutschlands durchzumachen
hat, dazu führen, daß sie es wieder einmal
zu einer Tradition bringt, die auf selbstsicheren
Füßen steht und mit schlichten klaren Zügen
eine neue Welt aufbaut, paul schultze-naumburg.
A
Wirft sich der Neuere, wie es uns eben jetzt
ergangen, fast bei jeder Betrachtung ins
Unendliche, um zuletzt, wenn es ihm glückt, auf
einen beschränkten Punkt wieder zurückzukeh-
ren, so fühlten die Alten ohne weitern Umweg
sogleich ihre einzige Behaglichkeit innerhalb der
lieblichen Grenzen der schönen Welt. Hierher
waren sie gesetzt, hierzu berufen, hier fand ihre
Tätigkeit Raum, ihre Leidenschaft Gegenstand
und Nahrung..................goethe.