Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

DOI Artikel:
Renatus, Kuno: Arbeiten von Lilli Vetter und Ewald Vetter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0117

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LILLI VETTER—MÜNCHEN.

VITRINE »DIE ANBETUNG« piuvat-üesitz.

ARBEITEN VON LILLI VETTER UND EWALD VETTER.

VON DR. K. MITTENZ WEY.

Die Arbeiten zweier selbständiger Menschen
in eine Betrachtung zusammenzufassen,
weil ihre Urheber durch die bürgerliche Ehe auf
gleichen Namen geeint sind, könnte eher einer
Skepsis begegnen. Denn künstlerische Be-
gabung ist so selten, daß wenig Wahrscheinlich-
keit besteht, innerhalb solcher Namenseinheit
gleich starke Persönlichkeiten anzutreffen, und
eher wird man erwarten, im Werk des einen
nachfühlende Bewunderung oder sonstige Ab-
hängigkeit vom Werk des anderen zu finden.
Die Arbeiten von Frau Lilli Vetter sind so
selbständig, daß man eher das Spiel versuchen
könnte, sie in ein gegenpoliges Verhältnis zu
Ewald Vetter zu bringen: bei ihm Arbeit aus
höchster geistiger Spannung, hier eine scheinbar
mühelose, spielfreudige Bewegung, dort eine
gewisse Sparsamkeit der Farbe gegenüber, hier
eine kaum Genüge findende Farbensinnlichkeit,
dort ein Hinaufsteigen vom naturalistisch ge-
meisterten Körper aus, hier von vornherein ein
freies Schalten im Raum usw. Dabei müßte
man sogleich anfügen, daß sich die Arbeiten
wieder in jener letzten Schicht begegnen: daß
bei beiden die Arbeit "'unerbittlich auf das We-

sentliche gerichtet ist. Doch ist solche Ver-
gleichsspielerei sinnlos, die Arbeiten von Lilli
Vetter sind so stark, daß sie selbständige Be-
trachtung fordern. Sicherlich hat Lilli Vetter die
mühelosere Phantasie, und wem Kunst eine
schöpferische Bewegung aus dem Nichts heraus
ist, wird sich mit ihren Arbeiten wahrscheinlich
schneller befreunden. Ohne weiteres taucht ihr
Blick in den selbstgeschaffenen Raum inneren
Schauens, und wie sie von da zurückkehrend
Form und Raum gestaltet, ist der Wunder und
Köstlichkeiten voll. Die Gestalten steigen ganz
von selbst, von der Phantasie geleitet (die immer
die Führerin ist) in einen idealen Raum hinauf,
und die Hand hilft ihnen die ideale Form ge-
winnen durch sinnvoll geübte Technik. Die
farbig wiedergegebene Stickerei — von ihrem
Farbensinn noch viel zu sprechen erübrigt sich
angesichts dieser Wiedergabe — zeigt, wie sie
mit dem Faden modelliert, den Stich setzend
wie ein Maler, der die Form durch offene Strich-
führung unterstützt. Unbegrenzt scheint ihre
Fähigkeit zu fabulieren. Gern denkt sie an die
Traumreiche des Orients, die Erinnerung an
persische Miniaturen stellt sich ein. Niemals

'• Okt.-Nov. 1921. II

97
 
Annotationen