LILLI VETTER—MÜNCHEN.
»EXOTISCHE PUPPEN«
wird, der sich über aller Verbildung noch die
Fähigkeit des Zurückerinnerns bewahrt hat.
• « «
Bilder religiösen Inhalts zu malen bedarf
heute keinerlei Begründung oder Erläuterung
mehr — im Gegenteil. Jede bessere Sommer-
ausstellung hat heute, unter anderem Atelier-
werk friedlich gehängt, ihre Heiligenbilder. Da-
bei wissen wir alle, daß unsere Zeit nicht etwa
frömmer geworden ist, auch daß die Vertreter
des offiziellen Kirchentums nicht ein neuartiges
Verhältnis zur modernen Malerei gewonnen
haben. Die religiösen Inhalte sind sozusagen
von der Kunst selbst erzeugt worden. Wie
wenn ein Ungläubiger, der an allen Dingen ver-
zweifelt, eines Tages die Hände faltet, so hat
die heutige Kunst, der bürgerlichen Welt der
Naturwirklichkeit bis zur Verzweiflung müde,
zu religiösen Vorwürfen die Hände ausgestreckt,
nur um wieder zu bildstarken, die Diesseitig-
keit sprengenden Inhalten zu gelangen. Wir
haben heute eine expressionistische religiöse
Konvention, über die sich kein Mensch mehr
wundert, so wenig wie über die expressionisti-
schen Dichter, die den Namen Gott mit Selbst-
verständlichkeit im Mund führen. Das schließt
nicht aus, daß diese ganze Art religiöser Kunst-
produktion ein Ästhetizismus ist. Es scheint, daß
99
»EXOTISCHE PUPPEN«
wird, der sich über aller Verbildung noch die
Fähigkeit des Zurückerinnerns bewahrt hat.
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Bilder religiösen Inhalts zu malen bedarf
heute keinerlei Begründung oder Erläuterung
mehr — im Gegenteil. Jede bessere Sommer-
ausstellung hat heute, unter anderem Atelier-
werk friedlich gehängt, ihre Heiligenbilder. Da-
bei wissen wir alle, daß unsere Zeit nicht etwa
frömmer geworden ist, auch daß die Vertreter
des offiziellen Kirchentums nicht ein neuartiges
Verhältnis zur modernen Malerei gewonnen
haben. Die religiösen Inhalte sind sozusagen
von der Kunst selbst erzeugt worden. Wie
wenn ein Ungläubiger, der an allen Dingen ver-
zweifelt, eines Tages die Hände faltet, so hat
die heutige Kunst, der bürgerlichen Welt der
Naturwirklichkeit bis zur Verzweiflung müde,
zu religiösen Vorwürfen die Hände ausgestreckt,
nur um wieder zu bildstarken, die Diesseitig-
keit sprengenden Inhalten zu gelangen. Wir
haben heute eine expressionistische religiöse
Konvention, über die sich kein Mensch mehr
wundert, so wenig wie über die expressionisti-
schen Dichter, die den Namen Gott mit Selbst-
verständlichkeit im Mund führen. Das schließt
nicht aus, daß diese ganze Art religiöser Kunst-
produktion ein Ästhetizismus ist. Es scheint, daß
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