Kunstwerk, Tat und Gedanke.
LILI.I VETTER—MÜNCHEN.
»KINDER-HÄUBCHEN U. SCHUHE«
dankenwerk, weil seine Materie sinnlicher und
nicht bloß begrifflicher Artung ist; bevorzugt
vor der schaffenden Tat, weil sich das Geistige
entschiedener und faßlicher in ihm durchringt.
Jedes Kunstwerk bezeichnet einen Punkt in der
Welt, wo Geist und Stoff zusammenstoßen,
einen Punkt lebendiger Sinnverleibung, einen
Punkt, wo echtes We s e n einen entsprechenden
und notwendigen Schein gewann. Denker,
Tatmenschen und Künstler stimmen überein in
der Erkenntnis, daß nichts Geistiges ohne Körper
ist. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit steht die
Verleihung: der Denker verleibt in Begriffen,
der Tatmensch in Leidenschaften und Ordnungen
äußerer Welt, der Künstler in gereinigter, aus-
geglühter Materie. Alle drei machen dabei die
gleichen Erfahrungen, und sprächen sie nicht
die verschiedenen Sprachen ihrer besonderen
Materialien, sie müßten sich jederzeit leicht und
mühelos mit einander verständigen können.
Wenn z. B. der Tatmensch auf den Unterschied
zwischen reiner Ideologie und reiner Realpolitik
stößt; wenn er erkennen muß, daß im Bereich
der geschickbildenden Tat der Ideologe ebenso
oberflächlich und unzulänglich verfährt wie der
geistlose Praktiker: so ist diese Erkenntnis
gleichwertig und sogar identisch mit der Ein-
sicht, daß im Bereich der Kunst die stoffscheue
Geistigkeit ebenso versagt wie die stumpfe
Wiedergabe der sinnlichen Erscheinung. Im
Bereich der Tat gibt es eine Routine ebenso
wie im Bereich der Kunst, und so wiederholen
sich alle Arten und Abarten der Begegnung
zwischen Geist und Stoff auf jedem der ge-
nannten Gebiete. Gemeinsam ist schließlich
auch in allen drei Fällen das Endziel des Be-
mühens: es geht aus auf die Erschaffung eines
echten Körpers, d. h. eines Gebildes, das auf
der einen Seite Körperlichkeit, auf der an-
deren Seite Verkörperung ist.
Die besondere Materie des Kunstwerks ist,
wie gesagt, gereinigte Weltmaterie, d. h.
Materie, die zwar sinnlich ist und sich da-
durch von der bloß begrifflichen des Denkers
unterscheidet, die aber so sehr befreit ist von
allen Nebenfunktionen und -bedeutungen des
übrigen Weltstoffes, daß sie schon auf dem
Punkte steht, in bloße, feurige Energie über-
zuschlagen. In diesem reinsten Material wieder-
holt sich daher das ungeheure Werk der Schöp-
fung am deutlichsten, denn wir verhalten uns
vor ihm zugleich sinnlich und geistig und emp-
fangen von ihm, was Natur und Denken getrennt
liefern, in einem Erlebnis. .
WILLY FRANK.
LILI.I VETTER—MÜNCHEN.
»KINDER-HÄUBCHEN U. SCHUHE«
dankenwerk, weil seine Materie sinnlicher und
nicht bloß begrifflicher Artung ist; bevorzugt
vor der schaffenden Tat, weil sich das Geistige
entschiedener und faßlicher in ihm durchringt.
Jedes Kunstwerk bezeichnet einen Punkt in der
Welt, wo Geist und Stoff zusammenstoßen,
einen Punkt lebendiger Sinnverleibung, einen
Punkt, wo echtes We s e n einen entsprechenden
und notwendigen Schein gewann. Denker,
Tatmenschen und Künstler stimmen überein in
der Erkenntnis, daß nichts Geistiges ohne Körper
ist. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit steht die
Verleihung: der Denker verleibt in Begriffen,
der Tatmensch in Leidenschaften und Ordnungen
äußerer Welt, der Künstler in gereinigter, aus-
geglühter Materie. Alle drei machen dabei die
gleichen Erfahrungen, und sprächen sie nicht
die verschiedenen Sprachen ihrer besonderen
Materialien, sie müßten sich jederzeit leicht und
mühelos mit einander verständigen können.
Wenn z. B. der Tatmensch auf den Unterschied
zwischen reiner Ideologie und reiner Realpolitik
stößt; wenn er erkennen muß, daß im Bereich
der geschickbildenden Tat der Ideologe ebenso
oberflächlich und unzulänglich verfährt wie der
geistlose Praktiker: so ist diese Erkenntnis
gleichwertig und sogar identisch mit der Ein-
sicht, daß im Bereich der Kunst die stoffscheue
Geistigkeit ebenso versagt wie die stumpfe
Wiedergabe der sinnlichen Erscheinung. Im
Bereich der Tat gibt es eine Routine ebenso
wie im Bereich der Kunst, und so wiederholen
sich alle Arten und Abarten der Begegnung
zwischen Geist und Stoff auf jedem der ge-
nannten Gebiete. Gemeinsam ist schließlich
auch in allen drei Fällen das Endziel des Be-
mühens: es geht aus auf die Erschaffung eines
echten Körpers, d. h. eines Gebildes, das auf
der einen Seite Körperlichkeit, auf der an-
deren Seite Verkörperung ist.
Die besondere Materie des Kunstwerks ist,
wie gesagt, gereinigte Weltmaterie, d. h.
Materie, die zwar sinnlich ist und sich da-
durch von der bloß begrifflichen des Denkers
unterscheidet, die aber so sehr befreit ist von
allen Nebenfunktionen und -bedeutungen des
übrigen Weltstoffes, daß sie schon auf dem
Punkte steht, in bloße, feurige Energie über-
zuschlagen. In diesem reinsten Material wieder-
holt sich daher das ungeheure Werk der Schöp-
fung am deutlichsten, denn wir verhalten uns
vor ihm zugleich sinnlich und geistig und emp-
fangen von ihm, was Natur und Denken getrennt
liefern, in einem Erlebnis. .
WILLY FRANK.