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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

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Diestelmann, Dieter: Die Bühnenbilder von T. C. Pilartz
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https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0138

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Die Bühnenbilder von T. C. Pilartz.

T. C. PILARTZ—DARMSTADT.

ZU STERNHEIM »DER ENTFESSELTE ZEITGENOSSE«

Voraussetzungen sich gebenden Möglichkeiten.
Ihm ist Rampenlicht nur eine von tausend Licht-
quellen, die er vor allem durch Verlegen in
Versenkungen, und so aufwärts wirkend, zum
Ausdruck höchster plastischer Wirkung aus-
nützt, wie er auch aus der Projektion der Farbe
ins Licht ungeahnte Wirkungen raumbildender
Anordnung erfindet. Als oberstes Gesetz frei-
lich steht ihm, daß die Bühne nichts Zufälliges
kennen darf, nirgends ihre Raumerfüllung Ab-
lenkendes von dem letzten Sinn der Dichtung
und der künstlerischen Gestaltung verträgt,
weil sie ja immer nur reinste Vermittlerin dich-
terischer Visionen sein soll, und das Hinreißende
dieser Visionen nur dann möglich ist, wenn mit
letzter Kraft ihr Stil vom Kern aus erfaßt und
klar und geradlinig in den beschwingten Raum
getragen wird. Daß alle Erhöhung und Ver-
tiefung im Raum stärksten inneren Rhythmus
haben muß, daß alle Schmiegsamkeit Kraft
saugt aus engster Verdichtung aller Färb- und
Lichtmöglichkeiten, diese Erkenntnis ist natür-
lich elementarste Voraussetzung zur restlosen
Ausnutzung räumlicher Gesetze der Bühne,
deren äußere Schranken Pilartz weit absteckt,
über die Rampe hinaus in die aus der Tiefe

aufwachsende und durch eigenartige Beleuchtung
ganz in den Kreis des plastischen Bühnenraums
sich hineinfügende Vorbühne verlängert und
vertieft. — Pilartz hat auf der Hessischen Lan-
desbühne in Darmstadt von der spielerischen
Grazie eines Mozart und der leicht parodierten
zierlichen romanischen Komödie eines Rossini
und Moliere bis zu der schweren und pathe-
tischen Monumentalität Schillerscher Tragödien
alles Drama in seinen Rahmen hineinwachsen
lassen; er hat Sternheimsche Bizarrerie und be-
klemmenden Duft orientalischer Farbigkeit aus
seinen Bildern leuchten lassen, er hat mit der
räumlichen Festlegung von Hamsuns „Königin
Tamara" geradezu einen Markstein in der Ge-
schichte des Bühnenbildes aufgestellt. Er hat
Voraussetzungen geschaffen für bewegtestes
Leben, für glühendste Leidenschaften und für
ungeheure Entfaltung aller dramatischer Kata-
rakte. Aber wer seine bildhafte Ausdeutung
von Unruhs „Prinz Louis Ferdinand" gesehen
hat, wer ein einziges Mal die grenzenlose Ein-
samkeit mitempfunden hat, die ausweitwenden-
der Katastrophenstimmung von dessen letztem
Bild herauswächst, der weiß, daß dieser Künstler
uns mehr zu geben hat als noch so weit gefaßte
 
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